Gabriele Clara Leist, Teufen (AR)

Etwas zu mir, Gabriele Clara Leist (Jg. 1962): Seit 1993 leite ich literarische Werkstätten sowie kreative Kurse und Seminare für Schreib- und Sprachkompetenz. 1996 habe ich mich selbständig gemacht und begleite zudem seit gut zwölf Jahren als Schreibcoach Berufsleute und Führungspersonen. In all meinem Tun verstehe ich mich als «Hebamme für Potenzial». 2005 gründete ich mit meiner langjährigen Schreibpartnerin Marie-Claire Baumann den «geniestreich» www.geniestreich.ch. Mein Atelier habe ich in Teufen.

Das literarische Schreiben ist für mich hauptsächlich ein gemeinsames Tun mit anderen. Meine Texte entstehen zum einen in Kursen und Creative Writing-Seminaren sowie in zwei Experimentiergruppen, die ich leite. Zum andern schreibe ich seit vielen Jahren in der – mit mir – fünfköpfigen Autorinnengruppe «ACES». Ich schätze die gegenseitige Inspiration wie auch die spielerische Leichtigkeit, mit der Texte entstehen können. Gleichzeitig sichern die grosse Erfahrung und die Fachkenntnis aller Schreibenden in Bezug auf das Arbeiten mit Sprache die Qualität der Texte – gerade dann, wenn diese z.B. im Hinblick auf eine Lesung bearbeitet werden.

WOHNEN 1

ein Teller aus Holz
für die Früchte
ein Untersatz aus Holz
fürs Wasserglas
ein Tischchen aus Holz
für Bücher und Hefte
ein Affe aus Bronze
auf einem Fels
sechs Sofakissen gelb
ein aufgeschlagenes Magazin
Palmenblätter verdorrt
und
eine Hand aus Holz
zum Kuss gereicht

© gabriele clara leist. teufen.

WOHNEN 2

Lehnsessel gestreift: ich
Sessel rot: du

sechs Kissen: ich
zwei Kissen und Nackenrolle: du

Hefte gestapelt: ich
Notenständer mit Querflöte: du

aufgeschlagenes Magazin: ich
Büchlein mit Lesebändchen: du

kleine Kuchen mit Holzteller: ich
Bonbonière mit Pralinen: du

bronzener Affe auf Fels: ich
ausgestopfte Meise unter Glas: du

Hand aus Holz zum Kuss gereicht: ich
zusammengebundene Briefe: du

© gabriele clara leist. teufen.

 

Gabriele Clara Leist über Das Zufällige. Das Reduzierte. Die strenge Form.

(am Beispiel von WOHNEN I und WOHNEN II)

„In den letzten Jahren habe ich mich vermehrt mit dem Zufälligen beschäftigt und mich immer wieder – nicht nur im literarischen Tun – gefragt: Was geschieht, wenn ich mich dem Möglichen so vorbehaltlos wie möglich öffne und absichtslos – auch im Schreiben – unterwegs bin? Was kann sich dann an GeSCHICHTEN, an TEXTur, an STOFF zeigen? – Im Gegensatz zur landläufigen Meinung «De Zuefall ghört in Abfall!» liebe ich es unter anderem, Schreibspielanleitungen zu erfinden und sie so zu gestalten, dass möglichst viel «Zu-Fälliges» an Rohtext entstehen kann, um diesen dann weiter zu formen. Und hier kommt – für das Ausarbeiten der Texte – meine Freude an reduzierten und immer wieder auch strengen Formen dazu.

Viele meiner Texte entstehen also über diesen Weg des zufälligen Findens. So kann es sein, dass in einem Rohtext ohne zu schauen intuitiv eine bestimmte Zahl an Stellen unterstreiche, um daraus ein Rondell formen. Das ist eine Gedichtform, die mit Wiederholungen arbeitet. Oder ich blättere in einem «Schöner Wohnen»-Magazin, notiere stichwortartig, was ich sehe und forme aus diesen Notizen ein Listengedicht, eine Kategorie der «Found Poems».“

 


literarische Veröffentlichungen (Auswahl):
1990: erste Gedichte im Band «Thurgauer Rosen», Verlag Pro Lyrica; 1993: Kurzgeschichte in der Literaturzeitschrift «Entwürfe»; 1994: «Schachtelweiber – Vier und weit Meer», Saba Verlag Gossau; 1997: Heft «Timbuktu» mit 17 Kurzgeschichten, Karlsruher Literarische Gesellschaft Scheffelbund; 2005: Gedicht in «Bäuchlings auf Grün», Lyrik aus dem Kt. St.Gallen im 20. Jh.; 2016: Gedicht in Claudia Roemmels Buchprojekt «darüber hinaus gewagt», OrteVerlag Herisau