Wo sich die Geister scheiden…
An abstrakter Malerei scheiden sich die Geister. Noch bis 1. Juni bietet Bignia Corradini jedem eine erneute Chance sich drauf einzulassen. Und zwar in ihrer Schau «Losgelöste Zentren» in Arbon.
Abstrakte Malerei gibt es seit rund hundert Jahren. Damals wie heute gehen die Meinungen darüber auseinander. Doch eine, die sich seit vierzig Jahren dazu bekennt, ist die Künstlerin Bignia Corradini.
Die gebürtige Zürcherin zog Anfangs der 70er, mit grade mal 21 in die deutsche Hauptstadt. Dort, in Berlin, studierte sie an der Hochschule der Künste Malerei. Zu Beginn waren ihre Arbeiten gegenständlich: Frauenkörper oder Vulkane. Aber schon in den 80ern kamen Abstraktes dazu, bis dieses innerhalb nur eines Jahres ganz die Oberhand gewannen.
Ups & Downs im Leben
Das, was die Künstlerin, deren Arbeiten unter anderem in der Kunstsammlung des Kantons Zürich oder dem Bündner Kunstmuseum vertreten sind, in ihren Werken erzählen will, sind Geschichten vom Leben. Vom Leben, mit seines „Ups and Downs“, vom Agieren in menschlichen Beziehungen und vom Lauf der Zeit, der das Jetzt unmittelbar zum Schon-Nicht-Mehr macht.
Ihre Geschichten packt Corradini auf grosse und kleine Flächen. Mal runde, mal eckige. Und seit 1992 erschafft sie auch dreidimensionale «BildObjekte»: malerisch bearbeitete Zylinder, Kästen oder Kugeln, die sie in den Raum platziert.
Regelrechtes «Lebenswogen»
Wie die Künstlerin ihre Farben aufträgt, kommt auf die einzelne Geschichte an. Manchmal nutzt sie grafische Farbfelder. Die wirken wie Mosaiksteine oder das Innere eines Kaleidoskops, splittrig und wechselhaft wie das Schicksal selbst – und scheinen Bildern des Zürcher Malers Max Bill nahe zu stehen.
In anderen Arbeiten setzt die seit nunmehr über 40 Jahren in Berlin lebende Corradini mit wildem Pinselschwung Farbbögen und Formfetzen auf die Bildträger. Es sind Formen, die sich verdrängen, begleiten oder bremsen. Ein regelrechtes «Lebenswogen» und wildes, pausenloses Ausloten des malerisch Möglichen – den Werken von Fritz Winter oder Kandinsky verwandt.
Ruhiger, doch im Wesen fast dringlicher, wirken daneben die «BildObjekte». Aus bemaltem Holz, Stahl oder Spiegelglas überwinden sie die Distanz zwischen flächigem Bildraum und Realraum. Tatsächlich brechen sie so in die echte Welt, die ja den Stoff für Corradinis Geschichten liefert, hinein und werden Teil davon.
Man kann von abstrakter Kunst halten was man will… aber für mich steht fest: Bignia Corradinis Arbeiten werden die Fan-Gemeinde dafür zweifellos vergrössern.
Bis 1. Juni
Mi bis Fr 14-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr oder nach Vereinbarung
Adrian Bleisch
Grabenstrasse 2 · CH 9320 Arbon
T 071 446 38 90 · M 077 443 04 50