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«Vom Hinfallen und Aufstehen»

Noch bis 26. September bespielen die Künstlerinnen Gabriela Falkner und Bárbara Nimke die Galerie im Schloss Dottenwil mit ihrer Schau «ordinary magic». Es ist eine Ausstellung, für die sich die beiden Frauen intensiv mit dem Ort und seiner Geschichte befasst und spezifisch hierfür Werke entwickelt haben. Das Ergebnis sind Arbeiten, in denen persönliche Erlebnisse auf das Vorgefundene Bezug nehmen. Was dabei das «Leiterli»-Spiel, eine Badewanne voller Pusteblumen oder angeschlagene Porzellantassen mit dem ehrwürdigen Bauwerk oberhalb Wittenbachs zu tun haben, beantworten die zwei im Interview.

Verratet doch als erstes: Wie kam es überhaupt zu dieser Ausstellung?

Bárbara Nimke: Vor ungefähr zwei Jahren sind wir vom Galerie-Team eingeladen worden, zusammen eine installative Ausstellung im Dottenwil zu realisieren. Das war zunächst eine Überraschung, da wir beide als Einzel-Künstlerinnen arbeiten und kein erklärtes Künstler-Duo sind. Der Gedanke, sich gemeinsam an dieses Projekt zu wagen, war reizvoll und wir haben uns darauf eingelassen.

Wie seid ihr danach vorgegangen, um euch und ebenso die Richtung für das Projekt zu finden?

Gabriela Falkner: Es war klar, dass es eine installative Ausstellung werden soll, die eben nicht nur an den Wänden, sondern auch mitten im Raum präsent ist. Deshalb war uns wichtig, zunächst Zeit in den Räumen zu verbringen und sie wahrzunehmen. Eine physische Aneignung zu vollziehen, wenn man so sagen kann. Wir waren oft dort, sind bewusst in die Räumlichkeiten eingetaucht und wollten die Geschichte des Ortes kennenlernen und verstehen. Dafür haben wir auch Menschen befragt und in Archiven recherchiert.

Was brauchen wir, damit eine Verletzung heilen kann?

Bárbara: Dank diesen Nachforschungen stellte sich heraus, dass das Galeriegebäude einst ein Molke-Kurhaus war. Und damit war die Idee für die inhaltliche Richtung der Ausstellung erwacht.
Mit dem Wissen um das Kurhaus standen unterschiedliche Fragen im Raum: Wer geht zu einer Kur? Wann tut man das? Was erhofft man sich von so einem Aufenthalt? Der Schritt zu Überlegungen rund um die Verletzlichkeit – im psychischen wie im physischen Bereich – folgerte sich daraus. Und schliesslich die Überlegung: Was brauchen wir, damit eine Verletzung heilen kann? Warum gibt es Wunden, die nicht abheilen? Diese Überlegungen zu visualisieren, schien uns auf einmal naheliegend.

Das klingt nach einem spannenden, aber auch schmerzlichen Ansatz. Ich stelle mir vor, dass es einen emotional ganz schön fordert, derartige Inhalte «anzupacken»?

Bárbara: Es beschäftigt einen tatsächlich emotional, denn einige persönliche Erfahrungen – bereits Verarbeitetes – kamen wieder an die Oberfläche. Das war ein Teil vom gesamten Arbeitsprozess.
Wir haben uns immer wieder intensiv ausgetauscht und dabei sind neue Gedanken hinzugekommen. Und so kristallisierte sich heraus, dass wir nicht nur Wunden, Narben und Verletzlichkeiten zeigen wollten, sondern auch die positive Fähigkeit der Widerstandskraft.

Wir setzen auf Reduktion und Verdichtung

Gabriela: Die Auseinandersetzung war für mich insofern spannend, als dass ich viel über die Resilienz an sich erfahren habe. Wir haben uns ja bereits vor Corona mit dieser Thematik auseinandergesetzt und Studien und wissenschaftliche Untersuchungen dazu gelesen. Das emotionale Fordern war für mich eher der Prozess bis hin zur Ausstellung: Zeit und Leere aushalten. Denken. Bilder im Kopf forcieren und entwickeln. Verwerfen und loslassen. Verbindungen herstellen zwischen dem Thema, das man vermitteln will und der passenden Materialität. Und letztendlich: Das Austesten der Wirkung am Ort.

Als Betrachter:in steht man Kunst gegenüber oft vor einem Rätsel. Man kann einfach nicht entschlüsseln, was die Werke vermitteln sollen. Seid so nett, und gebt hier mal Hilfestellung.

Gabriela: Uns ging es in den Arbeiten darum, Spannungsbogen zu inszenieren: Wunden – Narben, Fragilität – Beschützung, Heilung –  Zerfall, Zerbrechlichkeit – Humor, Verletzlichkeit – Widerstand und immer wieder das Hinfallen und Aufstehen. Dabei setzten wir auf Reduktion und Verdichtung. Wir wollten unsere Gedanken und Überlegungen in eine neue Sichtbarkeit mit eigener visueller Sprache übertragen. Nicht plakativ und laut, sondern durch besondere Materialien ästhetisch angedeutet.

Und was mache ich nun, wenn ich zwar weiss, worum es geht, aber ich ungeübt bin bei Kunstinterpretationen? Was wollen mir zum Beispiel die Tässchen aus feinem Porzellan im Erd­geschoss sagen? Sie sind alle irgendwie beschädigt. Oder was ist mit dem überdimensionalen «Leiterli-Spiel» im unteren Stock?

Bárbara: Jeder soll frei in seiner Betrachtung sein… aber gut (schmunzelt), wenn du ein paar «Leseanleitungen» haben willst… Die Tassen sind eine Einladung um gemeinsam Kaffee zu trinken – ein Symbol für Zeitschenken, für Zuhören, für Verstandenwerden. Aber wie du richtig sagst: Alle Tässchen haben die eine oder andere «Macke». Damit spiele ich auf unsere Fragilität an, unsere eigenen Narben, Schieflagen und Verletzungen. Und teilweise geben genau diese Bruchstellen der Tasse etwas Besonderes – eine gewisse Magie.
Und zum «Leiterli-Spiel»: Die heutige Forschung sagt, dass es erlernbar sei, nach einer Niederlage wieder auf die Beine zu kommen, und kein genetisches Schicksal. Hierfür steht das Spiel: Schon in der Kindheit lernen wir durch Spiele, Rückschläge oder auch Siege zu erleben und damit umzu­gehen.

Ah, okay. Und jetzt nur noch eine Frage zum Schluss: Ihr wusstet nicht, was am Ende bei eurem ungewohnten «Duo-Einsatz» herauskommt. Wie seht ihr das Projekt in der Rückschau?

Bárbara: Wenn man allein an einer Sache arbeitet, dreht man sich manchmal im Kreis. Ein Gegenüber zu haben, kann aus dieser Gedankenspirale raushelfen; neue Impulse und andere Aspekte können den Blickwinkel öffnen. Das ist spannend, beinhaltet aber auch ein Ringen mit sich und dem anderen. Ich für mich kann sagen: Es hat sich gelohnt. Mit dem, was gewachsen ist und wir hier zeigen, bin ich glücklich und zufrieden.

Gabriela: Ich habe bereits früher mit anderen Künstler:innen zusammengearbeitet, so wusste ich, dass es ein ganz anderer Prozess ist als bei einer Einzelausstellung. Die Versuchung, die Räume untereinander aufzuteilen, kam immer mal wieder zur Sprache. Dass wir aber konsequent an einer gemeinsamen Umsetzung von «ordinary magic» festgehalten haben und eine Ausstellung zeigen, die als Ganzheit wahrgenommen wird, freut mich sehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zu Gabriela Falkner unter: www.gabrielafalkner.ch

Mehr zu Barbara Nimke unter: www.kuenstlerarchiv.ch/barbaranimke


«ordinary magic» noch bis 26.9.2021
Samstag, 14:00 – 20:00 Uhr
Sonntag,  10:00 – 18:00 Uhr


Samstag, 25. September:
Pascale Pfeuti – Performance mit Musik & Sprache, 14 Uhr und 16 Uhr, pascalepfeuti.de

Sich wundern, sich ekeln oder überwältigt sein?

Kriterien fürs faire Bewerten künstlerischer Schöpfungen.

Schon oft habe ich mich mit unterschiedlichsten Personen fast leer diskutiert und in die Wolle gekriegt deswegen… Wegen der Frage, woran gute oder schlechte Kunst zu erkennen sei. Immer wieder war ich hilflos, weil  mir die rechten Begriffe im richtigen Moment fehlten und ich nur sagen konnte: „Das spürt man doch…“. Aber ha! Damit ist nun fertig. Dank eines super Beitrags von Christian Saehrendt in der NZZ kann ich nun auch mit handfesten Argumenten um mich schleudern. Ich will euch eine kurze Zusammenfassung der Kerngedanken daher nicht vorenthalten . Und für „Längerleser“ gibt es hier natürlich noch den Link zum offiziellen Beitrag.

Eine der allerbesten Sachen an Kunst finde ich persönlich ja, dass man über sie streiten kann. Es gibt – was die individuelle  Wahrnehmung anbelangt – wunderbarerweise kein richtig oder falsch. Jeder darf seine Meinung sagen. Aber wie auch sonst im Leben, will zielführender Meinungsaustausch…. (böse Zungen nennen das Streit)… gelernt sein…

Für diejenigen von euch, die Spass am fröhlichen Streiten haben – und ganz egal ob ihr praktizierende Kunstschaffende seid oder reine Theoretiker (wie ich) – sind die folgenden Sätze. Ich will ausserdem nicht auf dem Begriff „Streit“ verharren, sondern noch was anderes anstossen: Es geht darum, wie man als Praktiker sein eigenes Schaffen kritisch und distanziert einzuordnen lernt. Und es geht drum, sich als Theoretiker vom reinen „Gschpüri“ frei zu machen und bereit zu werden, auch Werken (Bildern, Kompositionen,  Texten…) objektive Anerkennung zuzubilligen, die dem persönlichen Geschmack so gar nicht entsprechen.

Seid überwältigt! Oder ekelt euch wenigstens!

Quintessenz von Saehrendts Text ist, dass Gegenwartskunst ganz allgemein um öffentliche Aufmerksamkeit buhlt. Und wie in allen Lebensbereichen gilt auch dort: Der Konsument wird erst dann aufmerksam, wenn ihn etwas aufrüttelt. Im Fall von Kunst kann das sein: Blasphemisches, Pornografisches, Ekliges, Kostbares und und und.

Hinzu komme der „Überwältigungseffekt“, der durch Dinge wie ungewöhnliche Räume (etwa Kirchen, Schwimmbäder oder Fabriken) oder biografische Inszenierungen (der Schöpfer des Werkes als „Knasti“, „Kranker“, „Missbrauchter“ usw…) erzielt werden könne.

Ich weiss ja nicht, wie es euch so geht. Aber ich persönlich erinnere mich tatsächlich an etliche Kunsterlebnisse, die mich primär noch heute bewegen, weil die Location eines Konzerts überraschend war, das Material einer Skulptur ekelerregend, der Vortragende eines Texte berühmt war… Oder es kam vor, dass ich auf eine Biografie „herein fiel“ und dachte: „Autsch. Kein Wunder, dass der Künstler so krasse Kunst macht… bei solchen privaten Erlebnissen….“

Wo die Message des Werkes an sich geblieben ist? Ups. Weiss ich nicht mehr. Die ist mir wohl irgendwie entwischt.

Kriterien zur Kunstbewertung

Jetzt muss ich aber noch rasch etwas einschieben: Kunst wird natürlich trotzdem nicht automatisch mies, wenn sie kostbare und widerliche Materialien nutzt, an überraschenden Plätzen stattfindet oder heikle Inhalte transportiert. ABER: Derartiges kann den Blick auf das Wesentliche verstellen. Daher ist es super, man kann mit handfesten Kriterien die Inhalte überprüfen.

Hier nun hilft Saehrendt einem weiter, indem er ein gutes Werkzeug in Gestalt eines Orientierungs-Dreieckes liefert. Alle Seiten dieses Dreiecks sind gleich bedeutend, leicht zu merken und heissen:

  • Authentizität (ACHTUNG! zuviel davon: Selbstbezogenheit/ zuwenig: unpersönlich)
  • Originalität (ACHTUNG! zuviel: wirkt bemüht/ zuwenig: muss mit Zitaten arbeiten)
  • Handwerkliches Können (ACHTUNG! zuviel: Effekthascherei/ zuwenig: Dilettantismus)

Endlich mal ein Werkzeug, das ich mir merken kann und immer logisch ableiten kann. Ab sofort werde ich damit also noch mehr als sowieso schon versuchen, künstlerische Artefakte und Ereignisse nach Form und Inhalt abzuklopfen und ob beides zusammenpasst.

Und ich habe keine Ausrede mehr, Werke aus reiner persönlicher Sym- oder Antipathie – anders zu bewerten, als es rein objektiv korrekt wäre….  eigentlich schade 🙂

 

 

Antonia Möhr, St. Gallen (SG)

Wer Antonia Möhr ist: 1976 wurde Antonia Möhr in St. Gallen geboren. Nach Matura an der Kantonsschule Trogen (AR) absolvierte Antonia Möhr zunächst von 1995 – 1999 ein freies Kunststudium mit Andrew Ward in St. Gallen und Zürich. Parallel dazu studierte sie Ethnologie. In den Jahren 1999 – 2001 folgte ein Kunststudium an der Art Students League, New York City, mit Schwerpunkt Malerei, Zeichnen und Kunstdruck. Im Anschluss daran, von 2001 – 2005 bereitete sich auf den Bachelor of Fine Arts am Hunter College, New York vor, wobei hier der Fokus auf Malerei, Keramik und Installation lag. Im Februar 2005 schloss sie ihr Studium mit Summa cum Laude ab. 2005 kehrte sie nach St. Gallen zurück und war für die Kunsthalle St. Gallen sowie die Kunstgiesserei im Sitterwerk tätig. Seit Oktober 2015 engagiert sich Möhr als freie Mitarbeiterin für die Galerie vor der Klostermauer (St. Gallen). Die Künstlerin lebt und arbeitet in St. Gallen.

Ausstellungen (Auswahl): 

2002 The Concourse, Gruppenausstellung, Art Students League, New York

2004 7th Annual Williamsburg Salon 2004, Gruppenausstellung, Williamsburg Art and Historical Center, New York

2007 Close Up, Einzelausstellung, Die Schwelle, St. Gallen

2010 Verpackungs – Art, Gruppenausstellung, Galerie am Landsgemeindeplatz Trogen, Trogen AR

2015 Lost Dogs, Doppelausstellung, Atelier Galerie Oertli, St. Gallen

„The Choices you make“ (2016) 50 x 40 cm, Collage/Mischtecknik und Papier, Tusche, Acryl auf Holz

 

Was Antonia Möhr über „The Choices you make“ sagt…

„Man steht vor einer Entscheidung und entschliesst sich für eine, dabei fallen all die Wege, die man durch die anderen Entscheidungen hätte gehen können, weg. Dies wiederholt sich jedes mal, wenn man eine Entscheidung trifft.
Im Leben gibt es Schlüsselmomente, die den Rest deines Lebens völlig verändern. Die daraus resultierenden Entscheidungen sind nicht widerrufbar.
Hat man wirklich die Wahl? Oder treibt das Leben, bedingt durch all die Aktion-Reaktion Prozesse, Menschen in Richtungen, wo sie so entscheiden müssen, den freien Willen verloren?“

Und zu Antonia Möhrs Arbeitsweise

“ Antonia Möhr collagiert und decollagiert. Ihre Bilder leben von der Textur der geklebten, geknitterten und gerissenen Papiere ebenso wie von den verwendeten Motiven, die einander verdecken und ergänzen. Immer gerät schon das nächste in den Blick. Wie beim Zapping wandern Blicke und Gedanken. (…)  Möhr konzentriert sich dabei auf Weiss-, Grau- und Schwarztöne (…).“
Kristin Schmidt

Kontakt:
Antonia Möhr, Blumenstrasse 11, 9014 St. Gallen
E-Mail: mantonia@bluewin.ch
Telefon: +41 78 767 82 26

 

 

Bárbara Nimke-Giger, Herisau (AR)

Wer Bárbara Nimke-Giger ist: Bárbara Nimke-Giger hat in Spanien das Goldschmiede-Handwerk mit Schwerpunkt zeitgenössischem Schmuck/Autoren-Schmuck erlernt. In den vergangenen Jahren hat sie an verschiedenen Ausstellungen teilgenommen. 2007 erhielt sie den Förderpreis des Sarganserlandes. 2016 realisierte mit fünf weiteren KünstlerInnen die Gruppenausstellung „Häutungen“ im Schloss Werdenberg. Die Künstlerin lebt und arbeitet momentan  in Herisau und St. Gallen.

 

Objekt aus Silber ( ca. 7 x 8 cm) – unten noch sichtbar: die Giesskanäle

 

Über ihr Schaffen

„Egal ob es eine gute oder eine schlechte Erinnerung ist – ich meine, einen Teil der Erinnerungen, sollte man auch loslassen können.“. (Bárbara Nimke-Giger)

Auch wenn Barbara Nimke offensichtlich „leichtfertig“ mit Erinnerungen umgeht, sind es doch gerade diese, die einen Grossteil ihres künstlerischen Schaffens prägen. Denn um das Erinnerungen-Zulassen sowie das Lebendig-Halten von Erlebnissen und Menschen, die längst aus dem eigenen Lebenskreis entschwunden sind, geht es der Künstlerin fast in jeder Arbeit. Dafür nutzt sie Textilien, die zart und vergänglich sind sowie langlebige Metalle. So vereint sie den Gedanken von Vergehen und Bestehen gleichermassen in ihren Werken.

Vergängliches Textil – zeitüberdauerndes Metall

Nach ersten künstlerischen Schritten in der Goldschmiederei kam Barbara Nimke zunächst wie durch Zufall ans Textile und befasste sich über längere Zeit mit Stickarbeiten. Aktuell kehrt Nimke in ihren Arbeiten vom Textilen zurück zum Metall, resp. bringt die Materialien auf ungewöhnliche Weise miteinander zusammen. Dafür wählt sie aus Stoffen, die für sie eine besondere Bedeutung haben, bestimmte Ausschnitte aus. Das kann ein altes Tischtuch ihrer Grossmutter sein oder eine Jacke, die sie im Urlaub gekauft hat. In einem aufwändigen Verfahren erschafft sie aus Ausschnitten und Fragmenten dieser Erinnerungsstücke Gussvorlagen. Zuletzt „giesst“ sie diese Textilien zu metallenen Medaillons, beispielsweise aus Tombak, Bronze,  Aluminium oder Silber.

 

 

„Geiler Block“ – Kunstspektakel in Trogen

Bigger, better, ELEPHANT – so könnte man die zweite Auflage des „Geilen Blocks“ wohl beschreiben. Nachdem Kunstfigur Leila Bock (alias Künstlerin Anita Zimmermann) bereits 2015 einen Haufen Kunstschaffender zusammengetrommelt hat, um in einem Abrisshaus im St. Galler Rotmonten-Quartier Kunst mal richtig krachen zu lassen, macht sie nun Trogen unsicher. Ab HEUTE, 9. Juni um 18.30h ist es wieder soweit. Hier weitere Details…
Leila Bock hat 30 KünstlerInnen von Berlin über Zürich bis nach Appenzell eingeladen, im leerstehenden ehemaligen Versandhaus Cornelia an 3 Wochenenden im Juni auszustellen. Freitag und Sonntag werden jeweils „Schnörkel-Texte“ vorgetragen.

Schnörkel-Texte

Für diese Texte hat Leila Bock hat ‚Freunde von Künstlern’ angefragt, einen Schnörkel-Text zu schreiben und dem Publikum vorzutragen. Über, wie es auf der Website heisst „ein Thema, das schon lange für eine Rede parat war, etwas Schönes, Wichtiges oder Unwichtiges, frei Erfundenes, wenn nicht sogar Unwahres, etwas Überflüssiges, so wie die Schnörkel der Fraktura-Schriften, unsinnig und unlogisch Schönes.“ Am Samstag hat es Musik an der Bar und am Sonntag gibt es Frühstück.

„botanico“ (Stefan Rohner)

Mit von der Partie sind übrigens unter anderem Andrea Vogel, Stefan Rohner, Christian Hörler und viele mehr…
Hier findet sich der Info-Flyer von Geiler_Block_2017 zum Downloads.

Eruk Soñschein, St. Gallen (SG)

Wer Eruk Soñschein ist: Eruk Soñschein, alias Kathrin Rieser, ist seit Jahren spartenübergreifend in den Bereichen Bildende Kunst, Theater und Performance tätig. 2013 zeigte Kathrin Rieser in der Galerie vor der Klostermauer in einer Einzelausstellung eine Reihe ihrer Werke. 2015 war sie zu einem Atelieraufenthalt, den die Kulturkommission der Stadt St. Gallen ihr zugesprochen hat, in Buenos Aires .

 

„miroir“ (Mixed Media, 2010)

 

Über die Arbeit „miroir“ (2010)

Eruk Soñschein erschafft ihre Wesen aus Weggeworfenem, „Wieder“-Gefundenem und wertet dieses durch ihre Bearbeitung neu. Oft haucht sie ihren Gestalten regelrecht neues Leben ein, indem sie sie in Bewegung versetzt: Mechanisch werden da Hüften zum Schwingen gebracht, Nähnadeln zum Nähen.

Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass diese Figuren aus Dingen bestehen, die schon mal woanders dazu gehört haben, aus Einrichtungsgegenständen längst demontierter Puppenhäuser und nicht mehr geliebten Lieblingsdingen: Jedenfalls können sie bei der Betrachtung zwei starke Eindrücke wecken: Hilflose Zerbrechlichkeit und beklemmende Morbidität.

Wie etwa bei der kleinen Tänzerin vor dem Spiegel, deren Fragilität man spürt. Zugleich macht sich aber auch ein weiterer Eindruck breit: Ein Gefühl von Verfall, das Angst macht. Die Gestalt, weissgesichtig, steht vor einem Spiegel. Mittels des durch die Künstlerin eingebauten Antriebes, dreht sie langsam und ungelenk die Hüften. Der Körper ist aus kantigen Holzelementen gemacht, er wirkt fast wie ein Skelett. Die von einer Tänzerin zu erwartende, auch optische, Geschmeidigkeit fehlt. Irritierend erscheinen neben den spindeldürren Extremitäten der beinahe grotesk ausladende Busen, die üppige Hüfte. Beides lädt nicht zur Berührung ein, sondern wirkt eher bedrohlich. Man denkt an Zerfall, wenn man das poröse Material der Hüfte in Augenschein nimmt. Nicht an Erotik. Die ganze Figur – ein Widerspruch in sich.

Es ist eine Figur, in der man viel des Kampfes mit den eigenen Grenzen und der dazugehörenden Verzweiflung finden kann. Was passiert mit dieser Tänzerin, wenn ihr (mechanischer) Antrieb versagt? Gibt der fragile Knochenkörper auf? Oder löst er sich wie durch Zauberei aus seiner Halterung, um sich an uns, den fast voyeuristisch neugierigen Betrachtern, zu rächen? Durch die Wahl ihres Arbeitsmaterials und ihrer Inszenierungen zieht die Künstlerin den Betrachter in eine Welt hinein, die die Phantasie mit einem durchgehen lässt und unerwünschte Gefühle anstösst: Unsicherheiten, Abscheu und Beklemmungen.

(c) Dorothee Haarer

Mehr über Eruk Soñschein gibt in diesem Beitrag des St. Galler Tagblatts zu lesen!

Alex Hanimann: «Die Collage ist das eigentliche Prinzip unserer Zeit.»

Die NZZ schrieb einmal, er zähle mit seinem zeichnerischen Werk zu den wichtigsten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Zudem hat er die Kunsthalle St. Gallen mitbegründet und war lange Mitglied in der eidgenössischen Kunstkommission. Bis heute unterrichtet er an der ZHdK und ist in Ausstellungen aktiv. Die Rede ist von Alex Hanimann. Trotz all des Ruhms sind ihm Starallüren erfreulich fremd, wie er im Gespräch in seinem St.Galler Atelier unter Beweis stellt.

Alex, über dich und dein Werk gibt es SO viel zu lesen. Daher soll hier gar nicht darüber geredet werden. Sondern vielleicht nur eine einzige Frage dazu: Gibt es eine Quintessenz, die konstant in deiner Arbeit auftaucht? Wahrscheinlich, dass ich mich nicht auf etwas festlege, sondern eher an Gegensätzen interessiert bin.

Welche Gegensätze? Zum Beispiel Ordnung und Chaos. Ich versuche permanent, Ordnung zu schaffen, damit Dinge verständlich werden. Gleichzeitig provoziere ich immer auch chaotische Situationen, bringe Sachen durcheinander, um so aus dem Ungeordneten heraus neue Bilder und Sichtweisen zu generieren. So pendelt das zwischen Bekanntem und Unbekanntem, zwischen Bewährtem und Neuem hin und her.

No proof – no commentary – no double entendre, 2012, MAMCO, Genf

Dann gibt es also auch in deinem künstlerischen Ausdruck gegensätzliche Pole? Ja. Auf der einen Seite gibt es die abstrakte Welt der Sprache. Und auf der anderen die Bilder und Figuren, eine konkrete Welt, in der die Dinge im zwei- und dreidimensionalen Raum angesiedelt sind. In jedem Fall ist es das Stereotype und das Prototypische, das mich interessiert. Die Kunst gibt mir die Möglichkeit, Inhalte in Form von Modellen und Hypothesen zu untersuchen, um so Wahrheiten überprüfen und  bestätigen zu können oder aber Hypothesen zu behaupten.

„Lesen lohnt sich“ – Filzstift auf Transparent Papier, 30.5 x 45 cm

Du unterrichtest Studenten. Welche Eigenschaften, meinst du, helfen dir, Künstler und zugleich Lehrer für andere Kunstschaffende zu sein?  Ich bin ein neugieriger Mensch und interessiere mich immer auch dafür, was andere machen, weil ich davon lernen kann. Ich wechsle sozusagen die Perspektive und den Fokus. Das weitet den Blick, ist bereichernd und inspirierend. Gleichzeitig schafft der Blick auf das Andere, das Fremde, auch Distanz. Das hilft mir wiederum, meine eigenen Arbeiten zu relativieren, sie klar abzugrenzen, zu schärfen und zu präzisieren.

Im Ungeformten und Rohen die Stärken aufspüren

Trotzdem stelle ich es mir schwer vor, Studierende an der langen Leine zu lassen und ihnen keine eigenen künstlerischen Ideen aufdrücken zu wollen. Das stimmt natürlich. Einerseits versuche ich, die Studentinnen und Studenten in ihren eigenen, originellen Ideen zu unterstützen. Auf der anderen Seite, will ich aber auch meine ganz spezifischen, breiten und langjährigen Erfahrungen mit Kunst, mit dem Her- und Ausstellen von Kunst vermitteln. Das kommt einer Art Quadratur des Zirkels gleich.

Alex Hanimann – Sein Selfie hat er im Toni an der ZHdK aufgenommen.

Du selbst giltst als Konzeptkünstler. Objekte, Malereien, Zeichnungen, Texte: Dir scheint nichts fremd. Erwartest du von deinen Studierenden die gleiche Vielseitigkeit? Jede und jeder sollte versuchen, seine Stärken einzusetzen. Die Voraussetzungen und Talente können sehr unterschiedlich sein. Das aufzuspüren, herauszufinden, wie man sich am besten artikulieren kann, ist der Sinn jeder künstlerischen Ausbildung. Gerade bei jungen Menschen ist ja vieles noch roh und ungeformt. Es ist schon da, aber es ist noch nicht wirklich sichtbar. So gilt es einerseits, im Unterricht, in der Ausbildung, breit zu experimentieren; andererseits auch zu fokussieren. Wie weit das gelingt, hängt einerseits von der Offenheit und Unvoreingenommenheit des Lehrers ab und gelingt andererseits nur mit  klaren Stellungnahmen, dem präzisen Einmischen und in Frage stellen.

Die Umgangsformen mit Kulturgut wandeln sich

Was mich zum Schluss noch interessieren würde: Du hast schon immer mit fremden Bildvorlagen gearbeitet, diese weiter verwertet – böse gesagt: geklaut.  Wie gehst du selbst damit um, wenn jemand deine Werke adaptiert und damit arbeitet? Ich habe kein Problem, wenn jemand meine Arbeiten weiterverwendet. Ich denke, es liegt im Wesen unserer Zeit, dass Dinge vermischt werden. Die breite Verfügbarkeit von Wissen, von Bildern und Sprache soll meiner Meinung nach genutzt werden können. Die Autorin, der Autor, verschwindet so teilweise in einer kollektiven Autorschaft. Sharing und Recycling bilden eine Art Fundament unserer Zeit. So ist nur logisch, dass man fremde Dinge benutzt, adaptiert und transformiert. Die Collage ist das eigentliche Prinzip unserer Zeit. Klar muss man gewisse Dinge respektieren. Grundsätzlich meine ich, dass es beim Benutzen der Dinge entweder irgendeine Veränderung oder eine erkennbare Manipulation braucht. Oder aber, man legt offen, woher eine Quelle stammt. Es geht nicht, 1:1 eine Formulierung zu übernehmen und diese als die eigene auszugeben. Das muss man wissen, ernst nehmen und auch akzeptieren. Aber die Umgangsformen mit Kulturgut wandeln sich eben.

 

(Bilder: (c) Alex Hanimann)

 

 

Katrin Mosimann, St. Gallen (SG)

Wer Katrin Mosimann ist: Geboren am 13. Mai 1959 in Solothurn. Lehre als Damenschneiderin, Mutter, freischaffende Künstlerin, Autodidaktin, lebt und arbeitet in St. Gallen. Mehr zu ihr findet sich auf Katrin Mosimanns Website und in diesem Zeitungsbericht

Ausstellungen, Auswahl
2016 „objets de reve“, Projektraum am See, Kornhaus Rorschach
2015 „diversity & unity“, International Textile and Fibre Art, Lettland
2015 „Im Netz“, Kunstverein Barsinghausen, Deutschland
2014 „Lässt dich der Nebel auch nicht schlafen ?“ Schloss Dottenwil,St.Gallen
2013 „manchmal verschwinden sie einfach“ Galerie vor der Klostermauer, St.Gallen
2012 „fragil“, Kultur im Bahnhof, St.Gallen
2011 Figuren für das Theaterstück „Fridolin“ Figurentheater St. Gallen
2010 „Frisch gestrickt“ Kunst am Bau, Textilmuseum, St.Gallen
2008 Jahresausstellung, Kunstmuseum Solothurn

 

„Carla“, 2011/12 Papier, Textil, Faden, 155 x 105 cm

 

Zu Katrin Mosimanns Arbeit „Carla“ – aus einer Laudatio

„Das Bild, sehr grossformatig, zeigt eine wogende Menschenmenge. Im Vordergrund:  diffuse schwarze Gestalten. Sie scheinen mehr wie düstere, ausgehöhlte Kokons, als wie Menschen. Und im Hintergrund: schillernde Lichtfiguren. Auch sie kaum mehr menschlich. Vielmehr erinnern sie mich an Geister aus Licht, die vielleicht im nächsten Moment auf und davon sind. Oder, deren Licht erlischt. Und dann auch sie zu schwarzen Hohlräumen macht.
Mitten in dieser Ansammlung von Gestalten – als einzige klar herausgearbeitet – steht ein kleines Mädchen: Gesicht, Körper, Kleidchen. Sie scheint zudem eine Kamera an einer Kordel um den Hals zu tragen. Was tut sie dort?  Wir wissen es nicht. Was aber stark von ihr ausgestrahlt wird: Ich bin die einzige hier….

Sie ist der SINGULAR, das erkennbare Individuum, innerhalb dieser sich auflösenden, diffusen Horde. Sie hat nichts, was sie mit den anderen teilt. Sie ist die einzige mit Gesicht, mit Persönlichkeit. Was mich an diesem Bild so stark berührt, ist der krasse Kontrast zwischen Bildaussage und handwerklicher Ausarbeitung.
Sämtliche Gestalten Mosimanns werden mit einem fortlaufenden Faden genäht, aus einem Guss. Ein Gestaltenumriss geht in den anderen über. Sie alle sind miteinander verbunden.

Und doch: Gerade durch dieses „irgendwie miteinander Verbunden- Sein“ kommt die Einsamkeit des Individuums noch härter zum Ausdruck. Alle sind mit allen verbunden, und doch hat keiner mehr etwas mit dem anderen zu schaffen. Als Untergrund für das Motiv hat die Künstlerin diesmal hauchdünnes Gewebe ausgewählt.

Es versinnbildlicht: Wir alle stehen auf so völlig unsicherem Grund. Ein Windhauch und alles wird einfach davon gerissen. Jede Gemeinschaft vom Wind davon getragen.
Für mich ist dieses kleine Mädchen Stellvertreter für viele Menschen innerhalb unserer Gesellschaft: Für all diejenigen nämlich, die vom Gefühl beherrscht werden, TROTZDEM, IRGENDWIE, WIESO NUR – – NICHT dazu zugehören. Nicht dazu zugehören, trotz medialer Vernetztheit und ständiger Erreichbarkeit.

Auch wenn Katrin Mosimann in ihren Bildern oft Szenarien aus fremden Kulturen und weit entfernten Ländern wiedergibt: Eigentlich ist ihr Thema auch hier bei uns vor der Haustür zu finden. Vielleicht in weniger drastischen Motiven – aber gespürt wird auch hier bei uns Einsamkeit, Verlassenheit. Und viele, die nicht auf der Flucht vor Naturkatastrophen sind, sind auf der Flucht vor Dingen in ihrem Inneren.

Die Künstlerin wagt sich an etwas heran, das den Betrachter tief drinnen anspricht. Ohne Show-Effekte, ohne die grossen klassischen Materialien der Kunstgeschichte, ohne Leinwand, Ölfarbe und Pinsel.

Sondern ganz schlicht: Mit Stoff, Nadel und Faden.“

© Dorothee Haarer M.A.

 

Kontakt

Katrin Mosimann, Wiesenstrasse 34, 9000 St. Gallen

E-mail: katrin.mosi@bluemail.ch
Fon: 071 351 37 09