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Kann ich mir mein Kunstschaffen eigentlich leisten?

In letzter Zeit habe ich immer wieder mit Kunstschaffenden geredet, die noch am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn stehen. Und dabei hörte ich des öfteren, dass etliche keinen Überblick über die Ausgaben für ihr Kunstschaffen haben. Manche sind zudem unsicher, wie man ein Budget erstellt oder einen Finanzierungsplan. Aus gegebenem Anlass folgt hier für alle «Betroffenen» ein Rundumschlag in diesem trockenen Thema. Vielleicht hilft er dem ein oder anderen ja, zu vermeiden, dass am Ende des Geldes noch so viel Projekt übrig ist….

Die eine grosse Frage ist zunächst mal die: Wie teuer ist für einen Künstler sein Kunstschaffen überhaupt? In Wirtschaft und Industrie ist meistens klar, wie viel es kostet, eine bestimmte Ware zu produzieren. Im Bereich der Kunst hingegen wissen oft nur wenige Kunstschaffende, wie viel sie tatsächlich an echtem Geld in ihr Schaffen hineinstecken. Und dann fehlen ihnen bei Verhandlungen um Honorare und Gagen eine, sagen wir mal, individuelle «Basisgrösse». Sie können nicht bewerten, ob ein gemachtes Angebot sich letzten Endes lohnt… oder eben nicht.

Doch wie kann man so eine Basisgrösse ausfindig machen? Wie kann man einen Grundpreis für seine Kunst festlegen, resp. ihn zunächst mal ermitteln? Für die bildenden Künste kann man das z.B. so definieren: Materialkosten für jedes Kunstwerk, anteilige Beträge an Mieten, Versicherungen sowie ein angemessener Arbeitslohn für die geleisteten Stunden. Last but not least müssen auch unbedingt die tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten mit hinein gerechnet werden. So kommt man ungefähr auf den Betrag, den man für ein Werk anpeilen sollte, um nicht nur drauf zu legen.

Hier eine kleine Aufstellung, aus was sich der Werkpreis u.a. zusammen setzt:

  1. Materialkosten
  2. Kosten für Produktionsmittel
  3. Kosten für Produktionsort, Atelier (anteilig)
  4.  Kosten Publikationen, Werbung,  Gestaltung/Pflege der Webseite usw.…
  5. Arbeitskosten, individuell mit Stundensatz gerechnet
  6. Lebenshaltungskosten
  7. Ausserdem kommen allenfalls noch Aufschläge für Galeristenprovisionen usw. dazu…

Klaro, dass man leider gerade nachdem man so eine Aufstellung gemacht hat, oft frustriert feststellen muss, dass der persönliche Soll- und der Ist-Wert im Markt oft weit auseinander klafft. Wer aber nicht mal weiss, wie viel ihn sein Wirken gekostet hat, der lässt sich noch leichter mit unfairen Honoraren über den Tisch ziehen- weil er schlichtweg nicht mit harten Zahlen argumentieren kann. Sich selbst guten Überblick zu verschaffen, ist daher der erste kleine Schritt auf dem Weg zur Besserung.

Auch für grössere Projekte, an denen man eventuell als Kurator beteiligt ist, oder die man mit anderern realisiert, fallen Kosten an. Hier sollte man unbedingt ein Projekt-Budget erstellen, bevor man sich in die Arbeit wirft.  Das kann etwa folgendermassen ausschauen: (nicht wundern, wenn hier ähnliche Posten wie oben erneut auftauchen…)

Budget

Im Budget werden alle Beträge aufgestellt, die man für die Umsetzung eines Projektes veranschlagt. Je detailliertere Offerten oder auch Erfahrungswerte aus vergleichbaren Projekten vorliegen, desto exakter ist die Budgeterstellung möglich. Ins Budget werden Posten wie die folgenden aufgenommen: Honorare, Materialkosten, Werbung, Versicherungen, Transporte, Reisekosten und Unterbringungen,  etceteraPP. Hier ein minimalistisches Beispiel:

Ganz unterm Strich steht schliesslich ein Gesamtbetrag der zu erwartenden Ausgaben. Z.B. 10’000 CHF

Sobald sich abzeichnet, wie die tatsächlichen Kosten aussehen, kann man diese als «effektive» erfassen. Damit verschafft man sich den direkten Überblick, was man als Ausgaben veranschlagt hat und wo man tatsächlich mit den Kosten steht.

Finanzierungsplan

Im Finanzierungsplan stellt man zusammen, woher die realen Gelder kommen sollen, um die im Budget erfassten Kosten auch bezahlen zu können.

Dazu gehört u.a. die Eigenleistung. Als Projektveranstalter trägt man in der Regel einen Teil der Finanzierungslast selbst. Beispielsweise: Kosten für Versicherungen (die ohnehin am Laufen wären), Mieten für Räume oder Technik oder auch ein Teil der eigenen Arbeitsleistung (Bsp. 20 Stunden Konzept-Erarbeitung bei einem Stundensatz von CHF 30  macht dann 20 Std x 30 CHF = 600 CHF Eigenleistung fürs Konzept usw.)

Des weiteren gehören dort aber auch die Beträge hinein, die man von Stiftungen oder der öffentlichen Hand beantragt.

Der Betrag, der schliesslich als TOTAL im Finanzierungsplan steht, muss der selbe sein, wie im dazugehörenden Budget. Wer 12’000 CHF bei verschiedenen Institutionen beantragt, obwohl er budgetiert, mit 10’000 CHF sein Projekt umsetzen zu können, muss sich auf irritierte Rückfragen gefasst machen.

Apropos

Wenn man mit seinen Gesuchen keinen Erfolg hat, sollte man kurz nachdenken, bevor man sich ins Projekt wirft. Ist man in der finanziellen Lage, das Projekt auch gesamthaft aus eigener Tasche zu stemmen? Oder vertagt man es vielleicht auf einen späteren Zeitpunkt?

Wie sieht es mir euren Erfahrungen aus? Wie geht ihr vor, wenn ihr euch an Budgeterstellung und Finanzierungsplan macht? Meldet euch gerne mit euren Kommentaren! Ich bin gespannt!

Hier übrigens hat’s Tipps, worauf man beim Stellen von Gesuchen achten muss.

künstlerische projekte durch gesuche finanzieren

Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau ist eine der Schweizer Institutionen, die viel Herzblut für die Unterstützung von künstlerischen Projekten einsetzt. Sie bietet zum Beispiel Beratung in künstlerischen Fragen an, hilft mit, kreative Ideen in Taten umzusetzen und realisiert zum Teil eigene Projekte. Darüber hinaus leistet sie aber auch finanzielle Beiträge an Kunstschaffende, die einen Bezug zum Thurgau haben. Wer von dieser Unterstützung profitieren will, kommt allerdings nicht drum herum, ein entsprechendes Gesuch einzureichen. Aber wie schafft es ein Gesuch überhaupt auf den «Radar» der Geldgeber? Wie gross ist die «Flut von Gesuchen» eigentlich? Und was sind die absoluten NO-GOs? Caroline Minjolle, eine der drei «Macher» im Stiftungsteam, hat mir darüber etwas mehr verraten.

KulturstiftungTG unterstuetzt künstlerische Projekte aller Sparten

Wenn man von einer «Flut von Gesuchen» spricht, von welcher konkreten Zahl reden wir da? 

Für 2015 kann ich da noch keine definitiven Zahlen nennen, denn bei uns werden das ganze Jahr über Gesuche eingereicht. Aber 2014 haben wir 118 Gesuche erhalten. Unterstützt haben wir davon dann 67.

Und welche Sparten sind darunter vertreten?
Oh, da gibt es das ganze Spektrum. Das geht von Literatur über Musik und Musiktheater bis hin zu Performances, Fotografie, Film und natürlich den bildenden Künsten.

Dürfen Sie verraten, wie hoch der Gesamtbetrag war, den die Kulturstiftung des Kantons Thurgau im letzten Jahr vergeben hat?

Ja sicher. Das ist kein Geheimnis. Im 2014 waren es 700‘530 CHF. Dabei handelt es sich übrigens um öffentliches Geld. Es stammt aus dem Lotteriefond.All diese Informationen sind übrigens auf unserer Website. Dort sind auch unsere Jahresberichte zum Downloaden.

Wie muss sich ein Gesuch präsentieren, um Ihr Interesse zu wecken?
Wie so oft im Leben ist der erste Eindruck entscheidend. Da muss gleich ein Funke überspringen. Es geht nicht darum, dass alles auf Hochglanz getrimmt ist. Vielmehr erwarten wir, dass uns kurz und prägnant der Kern der Idee aufgezeigt wird.

Was müssen Gesuchsteller sonst noch beherzigen?
Jeder, auch Kunstschaffende, die wir schon kennen oder die bereits eine gewisse Stellung in der öffentlichen Wahrnehmung haben, sollten sich an die Form halten und die üblichen Unterlagen einreichen. Dazu gehören ein vollständiger Projektbeschrieb und auch ein Finanzierungsplan. Ansonsten gibt es kaum objektive Kriterien. Was klar ist: eine gewisse Sorgfalt muss sein. Und zudem sollte die Dinglichkeit des Projektes deutlich raus kommen sowie ein emotionales Feeling.

wir unterstützen auch riskantere projekte

Haben Gesucheinreichende realistische Vorstellungen, welche Gelder sie erwarten dürfen? Oder werden bei Ihnen auch regelrechte Phantasie-Beträge angefragt?
Meistens sind die Beträge realistisch. Wir hatten zwar schon mal einen “Knaller“, als 100‘000 CHF angefragt wurden. Das war total überzogen.
Das höchste, was wir je tatsächlich bewilligt haben, waren 70‘000 CHF für das freie Theater Thurgau. Da ging es um jährliche Theaterproduktionen für den Thurgau. In der Regel liegt das Maximum bei 30‘000 – 40‘000 CHF . Aber wir finanzieren auch kleinere Projekte. Manchmal können auc h kleine Summen ein Projekt retten . Im Allgemeinen gilt eine Unterstützung der Kulturstiftung als „Statement“ unsererseits gegenüber anderen Geldgebern.

Beschreiben Sie bitte einmal das übliche Prozedere, bis ein Gesuch bewilligt wird.
Im Team sortieren wir zunächst alles, was zu unseren Kriterien passt. Was nicht reinpasst, leiten wir ans Kulturamt weiter oder weisen wir zurück. Dazu zählen z.B. Projekte mit sozialem oder historischem Charakter. Wir unterstützen ausschliesslich zeitgenössische Kunst, hier aber auch gerne risikoreiche Projekte, die ohne Unterstützung nicht zustande kommen, weil sie zu wenig kommerziell sind oder ein Nischenpublikum ansprechen.

Als nächstes begutachten wir die Gesuche und treffen eine Auswahl. Bei Projekteingaben, die unter 10‘000 CHF liegen, entscheiden wir selbst, das Team, was wir unterstützen. Das passiert laufend. Höhere Beträge werden dem Stiftungsrat vorgelegt, entsprechend der Eingabetermine auf unserer Website. Da wird wieder alles exakt geprüft, auch durch externe, unabhängige Experten. Der Schlussentscheid liegt dann beim Stiftungsrat. Manchmal kann eine Entscheidung am Ende noch kippen. Das ist immer ziemlich aufregend.

Und ein Tipp von Ihnen zum Schluss: Welches No-Go sollten Gesuchsteller sich unbedingt „verkneifen“?
Man sollte nicht versuchen, uns hinters Licht zu führen. Leider passiert das hin und wieder. Manche blasen etwa Budgets künstlich auf. Oder es werden verschiedene Gesuche für ein bestimmtes Ensemble von unterschiedlichen Personen eingereicht. So versucht man, uns vorzutäuschen, dass es sich um verschiedene Projekte und KünstlerInnen handle. Derartiges schätzen wir gar nicht. Wer sowas tut, verringert seine Chancen auf Gelder von uns. Aber die allermeisten Leute sind ja ehrlich. Und die unterstützen wir dann auch von Herzen gern.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wer sich mal bei der Kulturstiftung des Kantons Thurgau umschauen will, kann das hier tun Kulturstiftung Thurgau