Lebst du noch oder likest du nur?

Show „Sister App“ kommt in die Ostschweiz!

Was hab‘ ich gelacht, als ich im April das berühmt-berüchtigte und zu Recht legendäre Kleinkunst-Duo Hutzenlaub & Stäubli erleben durfte. Da waren die beiden nämlich mit ihrem Programm „Sister App“ in St.Gallen zu Gast. Für alle, die damals die Gelegenheit verpasst haben, gibt es nun – hipp hipp hurra – eine neue Chance. Im September finden in Frauenfeld und Herisau nochmals zwei Aufführungen statt. 

Mit ihrem aktuellen Programm ziehen die beiden Damen gnadenlos und spritzig unseren allzu digitalisierten Alltag durch den Kakao. Da wird gesungen, mit Sprache gespielt und die Möglichkeiten der Multimedia ausgereizt. Und jeder kriegt sein Fett weg. Der Blogger, der Twitterer und auch der liebe „FB-Freund“.

Nach der Show steht man da und fragt sich, ob man wirklich auch dazu gehört- zu all denen, die fleissig liken, posten, sharen sowie ihr Heil im Digitalen suchen.. und die analoge Welt dabei links liegen lassen. Ja, ich hab‘ gelacht. Und wie! Und mir danach vorgenommen, „es“ ab sofort doch anders zu machen.

Zu Hutzenlaub & Stäubli

Im echten Leben heissen die zwei Comedians übrigens Fritz Bisenz und Jasmin Clamor und stehen seit 20 Jahren zusammen auf der Bühne. Als Duo formierten sich Hutzenlaub & Stäubli aber erst nach ihrer gemeinsamen Zeit im erfolgreichen Frauen Comedy-Quartett Acapickels. Heute sorgt als dritter im Bunde Marino Bernasconi für multi-instrumentale Unterstützung.

Die nächsten Tourdaten

(zwei nah, zwei ferner…)

  • 17. September, 20 Uhr: Casino Frauenfeld
  • 24. September, 20 Uhr: Casino Herisau
  • 30. September, 20 Uhr: Kurtheater Baden
  • 10. Dezember, 20:15 Uhr: Konzertsaal Solothurn

 

Wassili Widmer, Zürich & Gais (AR)

Wer Wassili Widmer ist: 1992 geboren in Heiden. 2013 Diplom und Matura, Berufsfachschule Wirtschaft, Trogen. Seit 2014 Zürcher Hochschule der Künste, Bachelor Vertiefung Photographie. Seit 2014 Teilzeit bei SRG SSR Zürich. 2016 Auslandsemester Chicago, School of Art Institute.

Ausstellungen 2016 Manifesta, Cabaret der Künstler, Zunfthaus Voltaire, Zürich. 2016 Schaustelle vol. 4 – Klaus trophobia, Dynamo, Zürich. 2016 Swallow paradise, kuratiert von Rico Scagliola, Michael Meier, Miriam Wiesel, Urs Stahel, Dienstgebäude Zürich. 2016 Empire State of Mind, kuratiert von Sofia Bempeza und Maria Loboda    Krematorium Sihlfeld, hotel 25 hours, Zürich. 2015 Chamber of fine Arts, Kunst im Bauhof Winterthur. 2014 Reclaim the Walls, kuratiert von Naum Hirsl und Wassili Widmer, Zhdk , Zürich.2013 Struggle in Paradise, Zürcher Hochschule der Künste.

Publikationen 2016 Empire State of Mind, zhdk (Herausgeber Miriam Wiesel und Jörg Scheller) 2015 „Abarbeiten im Toni“, initiiert von Ulrich Görlich.

 

IMG_0246

Wassili Widmer über sein Schaffen:

„Mitte 2016 hats mich nach London verschlagen. Was mir auffiel – im Vergleich zu der schönen Schweiz war die Anzahl Obdachlosen doch beträchtlich höher. Das Thema liess mich nicht los, auf irgendeine Weise musste ich es verarbeiten. Zurück in der Schweiz setzte ich mich also an unseren Küchentisch und googelte den Suchbegriff „Penner“, zeichnete 6 mich ansprechende Exemplare vom Laptop ab.*

Sollen diese Zeichnungen nun einen Social-Media-Hype generieren, tausende Herzen berühren und die Welt verbessern? Natürlich. Passiert genau so, versprochen.

Nein, nein, vielmehr geht es mir darum, zu zeigen, was man „darf“ oder eben halt nicht. Dogmen finden in meiner Definition des Begriffs Kunst keinen Platz. Tatsächlich bin ich bislang schon auf zahlreiche festgefahrene Denkweisen, wie Dinge sein sollten, gestossen.

Kunst, für mich ein sehr intellektuell geprägtes Medium, die Reflexion von sich selbst und seiner Umwelt ist omnipräsent. Dies würde ich beides dem Begriff des Zwischendenkens zuordnen. Dieses Zwischendenken versuche ich durch das Bilden von Kontrasten zwischen dem gedanklichen Ist-Zustand und dem von mir erzeugtem Nicht-Sein-Soll-Zustand zu erwecken.“

 

*Lediglich eines davon wird hier gezeigt – Anm.  Puck

 

Weitere Informationen zu Wassili Widmer auch hier:

http://www.andreasjaggi.com/6624246/empire-state-of-mind

http://m11.manifesta.org/de/artist/wassili-dario-widmer

 

 

Engländerbau Vaduz: Himmelsrichtungen und Erinnerungen

 Vier Himmelsrichtungen, vier Länder und vier in der Ostschweiz aktive Kunstschaffende: Das sind die Zutaten der Ausstellung „Souvenir“, die vom 12.08. – 09.10.2016 im Kunstraum Engländerbau in Vaduz zu sehen ist. Peter Dew, Yoko Mroczek, Harlis Schweizer-Hadjidj und Birgit Widmer zeigen, wie es in der offiziellen Mitteilung heisst, „Malerei, Mixed Media, Zeichnung, Skulptur“ .
 —
Die vier aus so unterschiedlichen Ländern wie Finnland, Algerien/Frankreich, England und Japan stammenden Kunstschaffenden, inszenieren ihr Leben, das mehrsprachig und zwischen verschieden Kulturen stattfindet rund um das Bild vom Kompass.
IMG_2447_1
Im Informationstext von Rayelle Niemann, welche selbst Kuratorin ist und zwischen Kairo und Zürich lebt, lautet der zentrale Gedanke zur Ausstellung so:
„Die Souvenirs, die Peter Dew, Yoko Mroczek, Harlis Schweizer-Hadjidj und Birgit Widmer entlang ihrer Lebenswege sammeln, haben wenig mit dem zu tun, was einen touristisch definierten Gegenstand bestimmt. Weder sind es in Massen billig produzierte Gegenstände, noch haben sie mit einem stereotypen Beweis einer unternommenen Reise zu tun. Vielmehr zeugen die im Raum platzierten Objekte, Zeichnungen und Malereien von Auseinandersetzungen, die das Handeln, Denken und Wahrnehmen der KünstlerInnen beeinflussen. Ihre Reisen sind einerseits mit verschiedenen konkreten Orten verknüpft, andererseits erzählen sie von inneren Reisen, die Entfernung/Entfremdung und Annäherung widerspiegeln. Die ausgestellten Arbeiten geben uns Einblicke in persönliche Sammlungen, generiert aus Erinnerungen. Dieser Ansatz der Kunstschaffenden ermöglicht es, Erfahrungen mit den BesucherInnen zu teilen und formuliert darüberhinaus Anknüpfungspunkte an historisch definierte und der Tradition verpflichtete Verbindungen.“
Die Ausstellung wird begleitet von einem vielfältigen Rahmenprogramm. Am 30. August um 19 h findet zum Beispiel ein Chrash-Kurs verschiedender Sprachen statt! Details dazu und zu den anderen Angeboten gibts HIER.

Öffnungszeiten

Mo-So 13-17 Uhr, Di 13-20 Uhr
Geschlossen : 10.10.- 24.10.2016
Der Eintritt ist frei

Kunstraum Engländerbau, Im Städtle 37, FL-9490 Vaduz

Schmuck mit Schnabel

Perlen waren gestern – Schnäbel sind heute. Dies denkt man zumindest bei einigen Exponaten in der aktuellen Ausstellung im St.Galler Textilmuseum. Unter dem Titel „Body Jewels“ zeigen die Macher dort Stücke, die völlig anders sind, als man allgemein von Schmuck erwartet. „Vom zierenden Blickfang zum autonomen Objekt“, heisst es auf der Website des Hauses.  Das kommt von frech und unbequem bis völlig sperrig daher. Gerade deswegen ist diese Ausstellung ein „Must-See“. Nicht nur für Schmuck-Liebhaber… 

Schmuck, Mode… oder Kunst? Beim Spazieren durch die Räume von „Body Jewels“ kommt der Betrachter ziemlich ins Schleudern, wenn er sich auf derartige Begriffe festlegen soll. Und eigentlich ist dies auch unwichtig. Denn vielmehr zählt, die Vielfalt zu erkennen, die Schmuck-Kunst heute zu bieten hat. Um den Besuchern den Zugang zu dieser Vielfalt zu erleichtern, wurde die Ausstellung in Themengebiete untergliedert: Lines, Craft, Animals, Menagerie und Stories. Die so ausgestellten Stücke reichen von filigranen metallischen Objekten, über Stücke im Tierfell-Look bis hin zu Textilarbeiten.

P1170446

Kleid mit Schnäbeln

Mal grafisch – mal gruslig

Mich haben besonders die Lines und die Animals fasziniert. Die einen punkten bei mir durch grafische Klarheit, die anderen faszinieren durch ihre Grenzüberschreitung, die bis hin zum schaurig-wohligen Ekelgefühl gehen kann. Und beide würden ihrem Träger oder ihrer Trägerin viel abverlangen. Denn wer bewegt sich schon gerne in einem Gerüst aus Stäben – und seien diese noch so filigran. Oder wer wählt eine Abendrobe, aus deren Rockteil Schnäbel stossen? Eigentlich will Schmuck doch getragen werden, um angenehm zu sein und den, der ihn trägt, zu verschönern….sollte man meinen. Mit den meisten Stücken, die „Body Jewels“ präsentiert, scheinen hingegen andere Ziele verfolgt zu werden.

Schmuck wird autonom

Die Kunst- und Schmuckhistorikerin Monica Gaspar wundert sich nicht über ungewöhnliche Formen oder Materialien. Sie erklärt die Entwicklung dorthin sehr nachvollziehbar: „Seit den 60er Jahren gehören die Niederlande und die Schweiz zu einer internationalen Bewegung, die sich mit der sozialen und ökonomischen Funktion von Schmuck kritisch auseinandergesetzt hat. Die Abkehr von Edelmetallen und Zuwendung zu alternativen Materialien wie auch dem Textil, den konzeptionellen Ansatz, und die Hinterfragung von geschlechter-spezifischen Typologien, führten zu autonomen künstlerischen Positionen, zum sogenannten zeitgenössischen Schmuck.“

P1170473

Stabbroschen und Nadelbroschen

Und die Züricher Autorin, Antoinette Riklin-Schelbert, selbst Goldschmiedin und Expertin für Schweizer Schmuckkunst formuliert, wie diese Entwicklung weiterging: „In den 80er Jahren sprengt Schmuck alle Grenzen und wird autonom. Im konventionellen Sinn wird er immer weniger tragbar. Er weitet sich aus, erobert den Raum und wird durch die Körperbewegung zur Performance oder zum Theater. Einzig der Bezug zum Körper bleibt gewahrt. Die Grenzen zwischen Kunst und Handwerk, von Kleid und Schmuck sind verwischt. Die Objekte entziehen sich jeder Zuordnung.”

Diese Entwicklungen und Trends arbeiten die Ausstellungs-Macher wunderbar heraus. Zielführend ist hier zum einen die stimmige Aufsplittung in die fünf Themenbereiche. Als Besucher erhält man „Mainstreams“ präsentiert. Zugleich wird man allmählich von gut erträglichen Schmuckstücken, wie „Stabbroschen“, zu den schwerer „verdaulichen“ Exponaten (wie die mit Tieroptik) herangeführt. Ausserdem ist die Vielfalt an Ausstellungsobjekten einen Beifall wert. Diese werden mal als Einzelstück, mal in Gruppen nach Form oder Motiv inszeniert.

Mein Fazit

Ich hatte – ehrlich gestanden – kaum eine Idee, was „Body Jewels“ wohl bieten würde. Umso grösser war meine Überraschung. Denn für mich war’s ein echtes Abenteuer. Fast so etwas wie eine kleine Reise in eine neue Art der Kunst-Betrachtung, auch in Sachen „skulpturales Schaffen“. Dergestaltes gibt’s leider nicht oft zu sehen – aber immerhin noch bis 9. Oktober in der Vadianstrasse in St.Gallen.

Weitere Informationen zum Textilmuseum

Hier gehts zu den Öffnungszeiten und Preisen sowie zu Anfahrt-und Lageplan

Meinen herzlichen Dank an Monica Gaspar. Sie hat mir Auszüge aus Ihrer Vernissage-Ansprache zu „Body Jewels“ zur Verfügung gestellt.
Und danke auch an das Textilmuseum St.Gallen, welches die Bilder zur Verfügung stellte.

 

 

 

Margot Schneider, St.Gallen (SG)

Über Margot Schneider: geboren 1951, lebt und arbeitet sie in St. Gallen. Die Künstlerin besuchte die Hochschule für Gestaltung in Zürich und Meisterkurse im Ausland. Seit 2013 ist sie Mitglied der visarte ost – überdies ist sie Mitglied der Gilde Schweizer Bergmaler, wo sie in der Aufnahmekommission tätig ist. Ihre Werke präsentiert Margot Schneider in Ausstellungen im In- und Ausland.

Seit bald 20 Jahren wird die Künstlerin und ihr Werk permanent durch die Galerie KUNST7 am oberen Zürichsee vertreten.

Website von Margot Schneider

MargotSchneider

„Ammonite turquoise“ | 100 x 140 cm | Oel auf Leinwand

Zum Werk

„Ich bin fasziniert von den Ammoniten, ich liebe und sammle sie. Was packt mich immer wieder von neuem? Die dreidimensionale Spiralform des Ammoniten zieht mich hinein – und hinaus, wechselnd, je nach meinem Befinden. Weiter suche ich nach Zusammenhängen zwischen der genialen Form des Ammoniten und der mathematischen Fibonacci-Zahlenfolge. Die mathematische Fibonacci-Folge, dass sich jede Zahl aus der Addition ihrer beiden vorangehenden Zahlen ergibt, zeichnet grafisch umgesetzt eine Spirale. Die Spirale kommt dreidimensional vor, unter anderem in Spiralnebeln des Weltalls, in Fischschwärmen, dort als organisiertes Chaos …

Bei der künstlerischen Umsetzung der Ammoniten gehe ich von deren Fotografie aus. Ich bearbeite die Foto mit dem Photoshop. Den veränderten Ammoniten bringe ich mit Ölfarben auf grossformatige Leinwand. Die Auseinandersetzung der dreidimensionalen Wirkung fordert mich von neuem heraus.

Seit 2005 bilden die Gletscher der Alpen den Schwerpunkt meiner künstlerischen Auseinandersetzung. Das Abschmelzen des Eises, die zerklüfteten Eismassen, die Moränen, die Urkräfte der Landschaft, setze ich in Werkgruppen um.“

 

Pressestimmen

Südostschweiz: „Die St. Galler Künstlerin schafft Werke von ungewöhnlicher Dynamik. Sie sind von aussergewöhnlicher Kraft und Eindringlichkeit und bestechen durch Plastizität und Tiefe.“

Art Profil:  „Wahrnehmungsphänomene künstlerisch umsetzen …  eine Kunst, die aus der Natur schöpft, sich aber nicht nachahmend versteht. Margot Schneider spürt in ihren Bildern den Energien nach, welche den äusseren Erscheinungen zugrunde liegen.“

 

Kritik am Konsum wird genüsslich konsumiert….

Kunst kritisiert Missstände, z.B. skrupellosen Konsum. Oder würde sich immerhin sehr gut in dieser Rolle gefallen. Aber stimmt das eigentlich? Oder ist Kunst nicht selbst ein reines Konsum-Produkt, das man misstrauisch beäugen müsste – und nicht ehrfurchtsvoll bestaunen??? Eine Cross-Media-Aktion in Wil mit dem vielsagenden Titel „Shopping“ scheint nun noch bis 13. August dieser Frage nachzugehen. Und dieser „etwas andere“ Text tut das auch. Denn die Kunstgeschichte trägt das Thema „Konsum“ ja schon Jahrhunderte mit sich herum.

Shopping steht für die Möglichkeit, etwas zu konsumieren. Wo keine Ware vorhanden ist oder finanzielle Mittel fehlen, kann man nicht konsumieren, kann man nicht shoppen. Doch konsumiert hat der Mensch schon immer gerne und machte dieses auch in Kunstwerken sichtbar. Ein gutes, recht frühes Beispiel sind die niederländischen Barockstillleben um 1600: Werke mit üppig gedeckten Tafeln, exotischen Früchten und vielem mehr.

Stilleben

Pieter Claesz. (1597/8-1660)

Die Auftraggeber dieser Werke waren reich. Sie liebten es, das auch doppelt zu zeigen. Einmal im Abhalten von Festgelagen – oder auch durch deren Inszenierung in einem Kunstwerk. So wurde gelebter Luxus für die Nachwelt fixiert. Konsum, Luxus, Wohlstand, Kunst  waren damals Dinge, die jeder gerne haben wollte. Sie waren selten, damit erstrebenswert und wer konnte, stellte sie stolz zur Schau.

Stolz geht – Scham kommt

Im Laufe der Zeit jedoch veränderte sich diese Haltung. Der Gedanke an Luxus erhielt einen schalen Beigeschmack. Mit einem Mal waren noch andere Begriffe im Raum: Überfluss, Prasserei, Gier, Ausbeutung… Diese Entwicklung beeinflusste auch die Kunst. Sie gab ihr eine neue Richtung, einen veränderten Ansatz.

Eines meiner Lieblingsbeispiele dazu kommt aus dem Jahr 1917 und ist vom französischen Künstler Marcel Duchamp. Sein berühmtes Readymade „Fontain“ ist nämlich nix weiter, als ein handelsübliches Urinal. Dieses signiert er und erklärt es zum Kunstobjekt.

Urinal

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Duchamp#/media/File:Fontaine-Duchamp.jpg

Mancher mag einwenden: „Das war praktisch zur Hochblüte von Dada“.  Aber das ist eigentlich egal. Was mir wichtig ist: Duchamp stösst die an Edles und Bedeutsames gewohnte Kunst-Elite vor den Kopf. Er deklariert ein völlig banales und eher mit „Ekel“ konnotiertes Objekt als Kunst – einfach  gekauft in einem Sanitärgeschäft: Objekt „geshoppt“ und zur Kunst erhoben. Darf man das?

Shoppen ohne Hirn

Die Idee, Kunst und Konsum kritisch miteinander zusammen zu bringen, war jedenfalls nicht mehr tot zu kriegen. Einen Höhepunkt erreicht 1961 der Künstler Claes Oldenburg. Damals eröffnet er in seinem Atelier in New Yorks Lower East Side einen Laden, The Store: Verkaufsort und Produktionsstätte zugleich. Zu kaufen gab es alles,  was man im Alltag brauchte und was auch die Läden der Nachbarschaft anboten. Von Nahrungsmitteln bis zum Schuh. Mit einem Unterschied: Oldenburgs „Produkte“, egal ob Torte oder Kravatte, waren zu nichts zu gebrauchen. Jedes einzelne Stück bestand aus dem gleichen Material: mit Gips überzogenem Musselin und war farbig bemalt.

Meat_Oldenburg

Claes Oldenburg – „Meats“

Oldenburgs warf damit Kunst-Konsum und Wirklichkeits-Konsum auf einen Haufen und hielt den Store-Besuchern einen Spiegel ihres Kaufverhaltens vor. Shoppen ohne Sinn und Verstand? Shoppen als Selbstzweck?

Heute, rund 50 Jahre später, sind wir – nicht nur in Sachen Kunst – an dem Punkt angelangt, dass wir das Wort „Konsum“ fast mit Abscheu verwenden. Unsere neuen Lieblingsworte sind solche wie Fair-Trade, Nachhaltigkeit und „biologisch“. Der Kulturphilosoph Boris Groys hat dazu einen schönen Satz formuliert: „Nichts wird in der Konsumgesellschaft so gerne konsumiert wie die Kritik am Konsum.“

Die Kunst tut auf alle Fälle ihr bestes, mitzuziehen: Verbrauchte Güter, Abfälle, Schrott usw. werden für Kunstobjekte verwendet. So versucht Kunst, sich KRITISCH mit Konsum in unserer Welt auseinanderzusetzen. Aber steht Kunst, egal in welcher Form, nicht selber für den Willen zum Konsum, den Wunsch nach Luxus? Das scheint zumindest so, wirft man einmal einen Blick auf die grossen internationalen Kunstmessen.

Griff an die eigene Nase

Zum Schluss fasse ich mir auch an die eigene Nase. Ich gestehe, dass ich trotz meines Unbehagens gegenüber ungezügeltem Konsum, Kunst und Konsum gerne in einem „Aufwasch“ geniesse. Etwa dann, wenn ich ein ermatteter Museumsbesucher bin. Nach den intellektuellen Herausforderungen, die mir die Kunst abverlangt, suche auch ich gerne Linderung beim Shopping im Museumsshop. Hier gibt es – nach dem Kontakt mit der musealen Geisterwelt des Unantastbaren, Unverkäuflichen und für mich ohnehin Unbezahlbaren  – durch den realen Kaufvorgang endlich wieder eine Rückkehr ins wahre Leben. Hier kann ich alles anfassen, shoppen und mit nach Hause nehmen.

Mein Fazit

Gerade, weil Kunst und Konsum so ein spannendes und schwieriges Verhältnis zueinander haben, finde ich das „Shopping“-Projekt in Wil reizvoll. Denn wie die Kunstgeschichte zeigt: Es gab immer Kunstschaffende, die etwas  Anregendes und Intelligentes aus diesem Verhältnis ziehen konnten.

In diesem Sinne: Auf nach Wil und sich eine eigene Meinung bilden! Die „Produkte“ betrachten, die von neun Kunstschaffenden im Rahmen von „Shopping“ realisiert wurden: James Stephen Wright, Martina Mächler, Lucy Biloschitski, Catherine Xu und die beiden Künstlerkollektive Nina Emge/Samuel Koch sowie Fridolin Schoch/Edmée Laurin/ Domingo Chaves .

Bild_2

(c) Arthur Junior- Impression von „Shopping“

Mal sehen, wie sie im Rahmen ihrer „Shopping“-Tour Kunst und Konsum gemanaget haben….

Hier gibt’s den Ausstellungsführer, genaue Daten zum Projekt und eine Besprechung dazu im Tagblatt