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Zwei in eins – Krautrock und Seelenbilder

Gleich zwei lohnenden Ausstellungen im Museum im Lagerhaus in St. Gallen! Bereits seit 20. August werden bislang unbekannte Bijoux des Künstlers Werner Baptista aus der museumseigenen Sammlung präsentiert. Und ab dem 28. August gibt’s unter dem Titel „Kunst, Krautrock und Tarot“ fantastische Bildwelten von Ausnahmekünstlers Walter Wegmüller zu bestaunen. Nicht verpassen!

Von Werner Baptista weiss man bis heute unglaublich wenig. Er wurde 1946 in der Schweiz geboren, ging mehrere Jahre zu See und strandete schliesslich in Paris, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2012 lebte. In Paris betätigte sich Baptista mehr oder weniger unentdeckt als Künstler, brachte offensichtlich auch die Erlebnisse seiner Seefahrer-Zeit  in Zeichnungen, Collagen und Acryl-Malereien zum Ausdruck. Man muss es als Glücksfall betrachten, dass Baptistas Nachlass von Paris aus den Weg nach St. Gallen gefunden hat. Denn als Autodidakt hat er es trotz anfänglicher Erfolge nie so recht in die Öffentlichkeit geschafft.

Über viele Jahre hinweg sind dennoch grossformatige, wunderbar-expressive Pastellkreide-Zeichnungen entstanden. Aber auch überbordende Notizbücher, wo auf jeder einzelnen Seite Collagen mit unterschiedlichsten Materialien zu finden sind. Oder grellbunte Acryl-Bilder mit dämonischen Fratzen und wilden Formen.

Werner Baptista: „Die ewige Nonne“, 26.08.1991© Museum im Lagerhaus

Werner Baptista, Ohne Titel (Skizzenbuch), 1999-2000 © Museum im Lagerhaus

Dämonische Fratzen – sowie noch vieles, vieles mehr – findet man auch im Werk des 80-jährigen Walter Wegmüller. Anlässlich seines runden Geburtstags zeigt das Museum im Lagerhaus eine gross angelegte Schau seines Lebenswerkes – und gibt dabei auch Einblicke in Wegmüllers unglaubliche Biografie.

Bilder aus dem Innersten

Als Kind von Fahrenden wurde er seinen Eltern bereits als Säugling geraubt und erlebte in den Kinderjahren unglaubliche Torturen als Verdingbub. Erst mit 21 Jahren fand er seine leibliche Mutter und damit auch seine tatsächliche Identität. Ohne den Genuss einer Schulausbildung, jedoch mit dem innigen Wunsch, seine traumatischen Kindheits-Erlebnisse zu notieren, begann er, sich nicht in Buchstaben, dafür in symbolhaften Bildern sein Inneres von der Seele zu schreiben.

Kein Wunder also, dass man in Wegmüllers Werken auf albtraumhafte Motive stösst, wie etwa den „Frontfüssler“ aus dem Jahr 1968/69 – eines seiner Hauptwerke. Aber man trifft auch auf Bilder voller Lebensbejahung, wie etwa die zahlreichen Seiltänzer-Arbeiten, in denen sich Wegmüller mutig den menschlichen Balance-Akten stellt.

Walter Wegmüller, „Frontfüssler“ 1968-69 © Walter Wegmüller

Walter Wegmüller, „Der Seiltänzer und Maler“,1994, Privatbesitz © Walter Wegmüller

Zugegeben: Diese Kunst ist weder leicht verdaulich noch entspricht sie dem, was dem Mainstream entspricht. Das ist aber auch nicht die Idee, denn das Museum im Lagerhaus ist für seine Ausrichtung auf Art Brut, Outsider Kunst und Naive Kunst bekannt. Und mit Walter Wegmüller und Werner Baptista wird es dieser Nische auf’s Beste gerecht.

Mein persönliches Statement

Was mich an beiden Künstlern so berührt, ist, dass man ihnen ihr inneres Ringen anmerkt. Wenn man vor den Arbeiten steht, spürt man, dass da vieles die Seele bedrängt und sich auf künstlerischem Wege nach aussen eine Bahn bricht. Von Baptista ist so wenig bekannt, dass man fast nur mutmassen kann, was ihm im Leben wohl alles passierte. Von Wegmüller hingegen weiss man genug, um als Betrachter jedem Bild die biografische Grundlage zuordnen zu können – das trifft.

Beide Ausstellungen laufen bis 12. November. Hier geht es zu den Öffnungszeiten

Antonia Möhr, St. Gallen (SG)

Wer Antonia Möhr ist: 1976 wurde Antonia Möhr in St. Gallen geboren. Nach Matura an der Kantonsschule Trogen (AR) absolvierte Antonia Möhr zunächst von 1995 – 1999 ein freies Kunststudium mit Andrew Ward in St. Gallen und Zürich. Parallel dazu studierte sie Ethnologie. In den Jahren 1999 – 2001 folgte ein Kunststudium an der Art Students League, New York City, mit Schwerpunkt Malerei, Zeichnen und Kunstdruck. Im Anschluss daran, von 2001 – 2005 bereitete sich auf den Bachelor of Fine Arts am Hunter College, New York vor, wobei hier der Fokus auf Malerei, Keramik und Installation lag. Im Februar 2005 schloss sie ihr Studium mit Summa cum Laude ab. 2005 kehrte sie nach St. Gallen zurück und war für die Kunsthalle St. Gallen sowie die Kunstgiesserei im Sitterwerk tätig. Seit Oktober 2015 engagiert sich Möhr als freie Mitarbeiterin für die Galerie vor der Klostermauer (St. Gallen). Die Künstlerin lebt und arbeitet in St. Gallen.

Ausstellungen (Auswahl): 

2002 The Concourse, Gruppenausstellung, Art Students League, New York

2004 7th Annual Williamsburg Salon 2004, Gruppenausstellung, Williamsburg Art and Historical Center, New York

2007 Close Up, Einzelausstellung, Die Schwelle, St. Gallen

2010 Verpackungs – Art, Gruppenausstellung, Galerie am Landsgemeindeplatz Trogen, Trogen AR

2015 Lost Dogs, Doppelausstellung, Atelier Galerie Oertli, St. Gallen

„The Choices you make“ (2016) 50 x 40 cm, Collage/Mischtecknik und Papier, Tusche, Acryl auf Holz

 

Was Antonia Möhr über „The Choices you make“ sagt…

„Man steht vor einer Entscheidung und entschliesst sich für eine, dabei fallen all die Wege, die man durch die anderen Entscheidungen hätte gehen können, weg. Dies wiederholt sich jedes mal, wenn man eine Entscheidung trifft.
Im Leben gibt es Schlüsselmomente, die den Rest deines Lebens völlig verändern. Die daraus resultierenden Entscheidungen sind nicht widerrufbar.
Hat man wirklich die Wahl? Oder treibt das Leben, bedingt durch all die Aktion-Reaktion Prozesse, Menschen in Richtungen, wo sie so entscheiden müssen, den freien Willen verloren?“

Und zu Antonia Möhrs Arbeitsweise

“ Antonia Möhr collagiert und decollagiert. Ihre Bilder leben von der Textur der geklebten, geknitterten und gerissenen Papiere ebenso wie von den verwendeten Motiven, die einander verdecken und ergänzen. Immer gerät schon das nächste in den Blick. Wie beim Zapping wandern Blicke und Gedanken. (…)  Möhr konzentriert sich dabei auf Weiss-, Grau- und Schwarztöne (…).“
Kristin Schmidt

Kontakt:
Antonia Möhr, Blumenstrasse 11, 9014 St. Gallen
E-Mail: mantonia@bluewin.ch
Telefon: +41 78 767 82 26

 

 

Alex Hanimann: «Die Collage ist das eigentliche Prinzip unserer Zeit.»

Die NZZ schrieb einmal, er zähle mit seinem zeichnerischen Werk zu den wichtigsten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Zudem hat er die Kunsthalle St. Gallen mitbegründet und war lange Mitglied in der eidgenössischen Kunstkommission. Bis heute unterrichtet er an der ZHdK und ist in Ausstellungen aktiv. Die Rede ist von Alex Hanimann. Trotz all des Ruhms sind ihm Starallüren erfreulich fremd, wie er im Gespräch in seinem St.Galler Atelier unter Beweis stellt.

Alex, über dich und dein Werk gibt es SO viel zu lesen. Daher soll hier gar nicht darüber geredet werden. Sondern vielleicht nur eine einzige Frage dazu: Gibt es eine Quintessenz, die konstant in deiner Arbeit auftaucht? Wahrscheinlich, dass ich mich nicht auf etwas festlege, sondern eher an Gegensätzen interessiert bin.

Welche Gegensätze? Zum Beispiel Ordnung und Chaos. Ich versuche permanent, Ordnung zu schaffen, damit Dinge verständlich werden. Gleichzeitig provoziere ich immer auch chaotische Situationen, bringe Sachen durcheinander, um so aus dem Ungeordneten heraus neue Bilder und Sichtweisen zu generieren. So pendelt das zwischen Bekanntem und Unbekanntem, zwischen Bewährtem und Neuem hin und her.

No proof – no commentary – no double entendre, 2012, MAMCO, Genf

Dann gibt es also auch in deinem künstlerischen Ausdruck gegensätzliche Pole? Ja. Auf der einen Seite gibt es die abstrakte Welt der Sprache. Und auf der anderen die Bilder und Figuren, eine konkrete Welt, in der die Dinge im zwei- und dreidimensionalen Raum angesiedelt sind. In jedem Fall ist es das Stereotype und das Prototypische, das mich interessiert. Die Kunst gibt mir die Möglichkeit, Inhalte in Form von Modellen und Hypothesen zu untersuchen, um so Wahrheiten überprüfen und  bestätigen zu können oder aber Hypothesen zu behaupten.

„Lesen lohnt sich“ – Filzstift auf Transparent Papier, 30.5 x 45 cm

Du unterrichtest Studenten. Welche Eigenschaften, meinst du, helfen dir, Künstler und zugleich Lehrer für andere Kunstschaffende zu sein?  Ich bin ein neugieriger Mensch und interessiere mich immer auch dafür, was andere machen, weil ich davon lernen kann. Ich wechsle sozusagen die Perspektive und den Fokus. Das weitet den Blick, ist bereichernd und inspirierend. Gleichzeitig schafft der Blick auf das Andere, das Fremde, auch Distanz. Das hilft mir wiederum, meine eigenen Arbeiten zu relativieren, sie klar abzugrenzen, zu schärfen und zu präzisieren.

Im Ungeformten und Rohen die Stärken aufspüren

Trotzdem stelle ich es mir schwer vor, Studierende an der langen Leine zu lassen und ihnen keine eigenen künstlerischen Ideen aufdrücken zu wollen. Das stimmt natürlich. Einerseits versuche ich, die Studentinnen und Studenten in ihren eigenen, originellen Ideen zu unterstützen. Auf der anderen Seite, will ich aber auch meine ganz spezifischen, breiten und langjährigen Erfahrungen mit Kunst, mit dem Her- und Ausstellen von Kunst vermitteln. Das kommt einer Art Quadratur des Zirkels gleich.

Alex Hanimann – Sein Selfie hat er im Toni an der ZHdK aufgenommen.

Du selbst giltst als Konzeptkünstler. Objekte, Malereien, Zeichnungen, Texte: Dir scheint nichts fremd. Erwartest du von deinen Studierenden die gleiche Vielseitigkeit? Jede und jeder sollte versuchen, seine Stärken einzusetzen. Die Voraussetzungen und Talente können sehr unterschiedlich sein. Das aufzuspüren, herauszufinden, wie man sich am besten artikulieren kann, ist der Sinn jeder künstlerischen Ausbildung. Gerade bei jungen Menschen ist ja vieles noch roh und ungeformt. Es ist schon da, aber es ist noch nicht wirklich sichtbar. So gilt es einerseits, im Unterricht, in der Ausbildung, breit zu experimentieren; andererseits auch zu fokussieren. Wie weit das gelingt, hängt einerseits von der Offenheit und Unvoreingenommenheit des Lehrers ab und gelingt andererseits nur mit  klaren Stellungnahmen, dem präzisen Einmischen und in Frage stellen.

Die Umgangsformen mit Kulturgut wandeln sich

Was mich zum Schluss noch interessieren würde: Du hast schon immer mit fremden Bildvorlagen gearbeitet, diese weiter verwertet – böse gesagt: geklaut.  Wie gehst du selbst damit um, wenn jemand deine Werke adaptiert und damit arbeitet? Ich habe kein Problem, wenn jemand meine Arbeiten weiterverwendet. Ich denke, es liegt im Wesen unserer Zeit, dass Dinge vermischt werden. Die breite Verfügbarkeit von Wissen, von Bildern und Sprache soll meiner Meinung nach genutzt werden können. Die Autorin, der Autor, verschwindet so teilweise in einer kollektiven Autorschaft. Sharing und Recycling bilden eine Art Fundament unserer Zeit. So ist nur logisch, dass man fremde Dinge benutzt, adaptiert und transformiert. Die Collage ist das eigentliche Prinzip unserer Zeit. Klar muss man gewisse Dinge respektieren. Grundsätzlich meine ich, dass es beim Benutzen der Dinge entweder irgendeine Veränderung oder eine erkennbare Manipulation braucht. Oder aber, man legt offen, woher eine Quelle stammt. Es geht nicht, 1:1 eine Formulierung zu übernehmen und diese als die eigene auszugeben. Das muss man wissen, ernst nehmen und auch akzeptieren. Aber die Umgangsformen mit Kulturgut wandeln sich eben.

 

(Bilder: (c) Alex Hanimann)

 

 

Domenic Lang – neue Arbeiten im Dottenwil

Vor wenigen Wochen habe ich den Künstler Domenic Lang kennengelernt und muss sagen: Holla, der kann was! Ich durfte ihn in seinem „home“-Atelier besuchen. Und er hat sich Zeit genommen und mir seine facettenreiche Arbeit gezeigt. Von der Collage mit Legosteinchen bis hin zu Malereien in Öl. Vom 13. Februar bis 10. April zeigt er nun in einer Einzelausstellung was er so alles auf dem Kasten hat. Die Vernissage habe ich schon fest in meiner Agenda eingetragen. Diese beginnt übrigens am 13.2. um 17 h. Website Domenic Lang

Und wieso gehe ich hin? Ich bin gespannt, wie Domenic Lang dort seine sehr unterschiedlichen Arbeiten präsentieren wird. In seinem Atelier nämlich stehen monochrome Bilder von milchig-blauen Nebellandschaften neben feurigen Brand-Bildern in heissem Orange und Rot.

ganzes Bild klein

Ganz nah: alles Lego. Aus der Ferne: Ruinenarchitektur – ganz malerisch.

Und er hat noch ganz andere Arbeiten in petto. Was er nämlich auch erprobt, ist das Spiel mit neuen Materialien, wie den schon erwähnten Legosteinchen. Aber auch Stickereistoffe oder – neuerdings – Materialien aus dem Modelllandschaftsbau (winzige Männlein, „Streugras“, Miniaturbäumchen und und und) finden Eingang in seine Werke. Mit ihnen entwickelt Lang grossformatige Gesichter, die sich jedoch in Wäldchen, Rasenflächen etc. auflösen – je näher man eben an den Bildträger herangeht.

Ich find‘ diese Arbeitsweise überraschend und mir gefällt das Verspielte daran. Ein Künstler, dessen weitere Entwicklung man auf alle Fälle verfolgen sollte!

Kroki Schloss3

 

Und hier noch die „Ausstellungs-Koordinaten“:

DOMENIC LANG „NEUE WELT“
(MALEREI, INSTALLATION) 

Samstag, 13. Februar, Vernissage 17 Uhr
Musikalisches: M. Lang, M. Toppius und M. Ehrbar

Einführende Worte: R. Zigerlig, Präsident der Stiftung Sitterwerk.

Öffnungszeiten unter dieser Website

Andrea Giuseppe Corciulo (SG)

Wer Andrea Giuseppe Corciulo ist: 1972 geboren. In Teufen aufgewachsen. Lebt und arbeitet heute in St.Gallen. 1994-1998 besuchte er die Höhere Schule für Gestaltung.

Auszeichnungen und Preise (Auswahl): 2008 Förderpreis der Stadt St.Gallen ; 2007 Förderpreis UBS Kulturstiftung; 2006 Atelierstipendium in der Cité International des Arts, Paris; 2005 Atelierstipendium in Rom, Kanton St.Gallen; 2002 Werkbeitrag des Kanton St.Gallen. Mehr über ihn auf Tumblr: Website

Panda

Zum aktuellen Projekt „floating“: 

„floating“ lautet der Titel des neusten Projekts von Andrea Corciulo. Für seine aus mehreren Werken bestehende Serie löst der Künstler die klassische Papiercollage aus der 2-Dimensionalität auf und überführt sie in eine 3-dimensionale Wahrnehmung. In mehreren Arbeitsschritten inszeniert und fotografiert er die Collage. Das Endprodukt ist ein Fotoabzug, die Originalcollagen werden zerstört. Mit einer besonderen Art der Beleuchtung erzeugt der Künstler Schatten, welche die einzelnen Bildelemente in den Zustand des Schwebens zu versetzen scheinen.

Aktuell zeigt der Künstler „floating“ im Projektraum Nextex im Rahmen einer Gruppenausstellung mit Rahel Müller und Simon Gehrig. Noch bis 26.November.