Es blühe die Zeichnung!!!
Gruppenausstellungen sind ja eigentlich nicht so meins. Denn je mehr Leute auf einem Haufen ausstellen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine schwächere „Position“ dabei ist – und die macht dann nicht selten was Schräges aus einer eigentlich runden Sache. Umso freudiger macht mich daher die aktuelle Ausstellung im St.Galler Nextex. Sie heisst „Aufblühende Attacken“. In ihr zeigen vier vollkommen unterschiedliche, aber gleichstarke Kunstschaffende ihr zeichnerisches Können. Und zwar in Form witziger und anregender Bilder-Geschichten und Geschichten-Bilder. Nix wie hin!
Bilder-Geschichten oder Geschichten als Bilder lieben die Menschen ja schon immer. Die alten Ägypter nicht weniger als die Menschen des Mittelalters, die sich von den Glasfenstern in Kirchen ihre Bibelbotschaften ablinsen mussten. Und diese Lust am Bilder-Schauen hält an. Eine Welt ohne Asterix und Obelix, über Mangas bis hin zu den experimentellen Graphic Novells ist überhaupt nicht vorstellbar. Und dazwischen liegt natürlich noch vieles andere.
Zeichnung anno 2016
Einen kleinen aber spannenden Einblick, wie Bilder-Geschichten im Jahr 2016 daher kommen, liefert die Ausstellung „Aufblühende Attacken“. In ihr zeigen Hannah Raschle, Kai Pfeiffer, Julia Marti und Vanja Hutter auf ganz unterschiedliche Weise, wie Geschichten heute auf zeichnerischem Wege erzählt werden können: Mal in Form von mehrteiligen Bildabfolgen. Dann als einzelne Blätter. Dort mit ganz zarter Strichführung, an anderer Stelle mit knalligsten Farben und Umrissen… und einmal sogar als Papier-Installation am Boden.Und immer nur mit so wenig Worten wie möglich. Diese dann aber pointiert und nicht selten zum Schmunzeln.
Vanja Hutter und Kai Pfeiffer zeigen Arbeiten mit feinster Strichführung und man muss schon ganz nah herangehen, um zu erkennen, was dem Betrachter da eigentlich geboten wird. Eine Zeichnung Pfeiffers sieht aus der Ferne aus, als sei da ein bisschen schwarzer Sprühnebel auf einem Blatt gelandet. Erst beim nahen Herantreten, lösen sich die zarten Pünktchen voneinander und geben ihre Geschichte preis.
Hutter geht sogar noch einen Schritt weiter: Ihre Arbeiten sind zweigeteilt. Blatt im Kuvert – so präsentiert sie, was sie vermitteln will. Ihre in Hüllen mit Adressat versehenen „Briefbotschaften“ offenbaren erst dann ihren Witz, wenn man sich klar macht, wer denn tatsächlich der Empfänger ist.
Den Gegenpol hierzu, mit bunten und regelrecht harten Linien, setzen die Arbeiten Hannah Raschles und Julia Martis. Raschle bespielt einen kleinen Raum als Solistin: Mit farbstarken und irritierenden Geschichten lässt sie den Besucher in eine unwirkliche Welt voll absonderlicher Gestalten abtauchen. Und steigert das Gefühl des Irrealen noch durch die von ihr gewählte Beleuchtung.
Julia Marti ist mit zwei verschiedenen Arbeiten vertreten: Grafische Werke an der Wand – und einer Bildergeschichte am Boden. Klasse finde ich hier, wie sie gerade bei der Bodenarbeit der Zweidimensionalität der Zeichnung ein Schnippchen schlägt. Dies tut sie, indem sie die einzelnen Bildelemente gestaffelt auf Nadeln voreinander aufspiesst – und trotzdem durch Farben und Formen Elemente, die man aus Comix und von Plakaten her kennt, beibehält.
Der Weisheit letzter Schluss: Wer sich für Zeichnung interessiert, sollte sich diese Ausstellung keinesfalls entgehen lassen. Geöffnet ist sie noch bis 28. April. Immer dienstags und donnerstags von 13 – 16 h und an Donnerstagen auch beim Hinter-der-Bar-Betrieb von 19 – 22h.
Nextex, Blumenbergplatz 3, 9000 St.Gallen – Programm Aufbluehende Attacken