Wo der Lindwurm zuhause ist…

Hans Guntli ist ein Mensch, der sich auskennt, wenn es um Lindwürmer, den „Wuhr-Dienst“ und räuberische Landvögte geht. Dass muss er auch. Denn seit rund zehn Jahren führt er Besuchergruppen durch die Kultureinrichtung Schloss Werdenberg und erzählt genau von diesen Dingen. Was das Besondere am Werdenberg für ihn ist und  was ihm beim Herumführen wichtig ist hat er mir an einem Nachmittag erzählt.

 

Hans, hast du besondere Bindungen zum „Werdenberg“?  Ich bin mit dem Schloss Werdenberg und dem „Städtli“, das zu dessen Füssen liegt, gross geworden und schon als Bub dort herumgestromert. Da besteht natürlich eine ganz grosse Identifikation mit der gesamten Anlage für mich. Im Erwachsenenalter habe ich dann angefangen, mich für die regionale Geschichte zu begeistern und mir zum Beispiel die Werdenberger Jahrbücher gekauft.

IMG_2455

Kenner von Schloss und „Städtli“: Hans Guntli

Nun führst du Leute durch eine historische Stätte. Bist du ausgebildeter Historiker? Oder wie kommt man an so einen Job? Ich bin ein völliger „Quereinsteiger“. Aber eben sehr geschichtsinteressiert. Als ich in Pension ging, hat mich die damalige Leiterin der Tourist-Info gefragt, ob ich sowas machen wolle. Wir kannten uns über meine Frau… und so hat sich dann diese Tätigkeit ergeben. Da musste ich keine Sekunde überlegen.

Was reizt dich daran? Zum Beispiel reizen mich die vielen verschiedenen Menschen, mit denen man zusammenkommt. Das sind mal Schulklassen, dann mal Leute auf einem Firmenausflug. Ich versuche jeweils, mich der Gruppe anzupassen und schaue, was die besonders spannend finden. Das geschieht immer recht spontan. Ausserdem ist mir wichtig, dass ich eine Diskussion anstosse und den Dialog suche – und eben nicht der einzige bin, der pausenlos redet.

 

image4 (1)

Malerisch gelegen: Das Schloss

Trotzdem wirst du ja sowas wie einen „roten Faden“ bei deinen Führungen haben. Was präsentierst du dem Publikum? Oh, vieles (lacht). Was ich erzähle geht von den mittelalterlichen Anfängen über die Glarner Herrschaft mit ihren Landvögten bis hin zur Familie Hilty. Die Hiltys waren die letzten „Schlossherren“ und die haben es 1956 dem Kanton geschenkt.

Okay, picken wir uns mal das Mittelalter raus. Was gibt es da beispielsweise zu erklären? Im Städtli etwa zeige ich die Bauten mit den verschiedenen Bauweisen. Die Holzbauweise, die es dort gibt, ist einzigartig in der Schweiz und sogar in Europa. Die Stadtentwicklung hat ja bereits 1261 begonnen. Die ersten Häuser wurden noch in die Stadtmauer eingebaut, um Baumaterial und Platz zu sparen. Jetzt all die verschiedenen Phasen zu erzählen, würde den Rahmen sprengen. Aber man muss sich das doch mal vorstellen: Bis ins Jahr 1960 herrschte „mittelalterlicher Originalzustand“, da gabs nicht mal fliessendes Wasser in den Gebäuden.

 

Was ist denn 1960 passiert? Bis zu diesem Zeitpunkt, galt das Städtli praktisch als „Armenhaus“ von Grabs.  1960 organisierte der Heimatschutz dann eine Schoggitaleraktion. Mit dem so erworbenen Geld ist das Städtli saniert worden. Heute wohnen hier immer noch an die 70 Menschen. Aber mittlerweile ist es eine bevorzugte Wohnlage, die mit viel Liebe in historischem Gewand erhalten wird.

Werdenberg, St. Gallen, Schweiz, 28. April 2014 - Schlangenhaus in Werdenberg, Museum, Schloss Mediale.

Schlangenhaus in Werdenberg, Museum, Schloss Mediale 2014

Ein besonderes Gebäude im Städtli ist das Schlangenhaus. Zuerst dachte ich, man könne da Schlangen wie in einem Terrarium betrachten. Aber da war ich auf dem Holzweg….
Ja, denn das  Schlangenhaus hat natürlich nichts mit lebenden Schlangen zu tun. Es ist ein Gebäude im Städtli, auf dem ein sehr kunstvoll aufgemalter Lindwurm zu sehen ist. Den hat man im Mittelalter  deshalb aufgemalt, um die  bösen Geister fernzuhalten. Ursprünglich war das nämlich ein Wohnhaus für ganz normale Leute. Und die wollten sich schützen.

Wohnen tut darin aber niemand mehr. Es ist ja ein Museum. Genau. Ausgestellt sind dort Dinge, die das „gemeine Volk“ betrafen: Arbeits- und Haushaltsgegenstände etwa. Man bekommt aber auch Infos über das Brauchtum der Region vermittelt. Zum Beispiel, wie im Mittelalter mit dem Tod umgegangen wurde.

Und noch eine abschliessende Frage: Man erfährt vor Ort auch über das Tagewerk der mittelalterlichen Städtli-Bewohner. Was zum Beispiel? Früher haben alle Bewohner  „Wuhr-Arbeit“ leisten müssen. Heute würde man dazu wohl Damm-Bauarbeiten sagen. Der Ort liegt ja direkt am Rhein und der hat die Talebene immer wieder überflutet. Deswegen mussten alle Einwohner den Rhein zurück dämmen. Das war teilweise Frondienst, den sie bis ins 19. Jh., als der Rhein in die jetzigen Dämme gelegt wurde, leisten mussten.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Kleiner Epilog

Neben den historischen Highlights bietet Schloss Werdenberg heute übrigens auch ganz viel Modernes. Seit einiger Zeit findet hier zum Beispiel die sog. „Schlossmediale“ mit Theater, Konzerten und vielem mehr statt. Auch für Kids gibt’s Specials: Beim Programm „Graben und forschen“ erfahren sie, wie Archäologen arbeiten und können sich selber fachmännisch an „Grabungsstätten“ zu schaffen machen.

Mein Dank für die Bilder geht an:

  • „Schlangenhaus“ – Daniel Ammann. Zu seiner Website und einem Zeitungsartikel
  •  „Porträt Hans Guntli“ – Daniela Rüegg
  • „Ansicht Schloss Werdenberg“ – Hans Guntli