Schöne Ausstellungen, spannende Aufführungen, interessante Kunstschaffende und noch mehr

«Wie krumm darf die Banane sein?» – Kunst zertifizieren vom Profi

Bis 16.6. noch läuft die ART Basel. Die grösste und wichtigste Kunstmesse der Welt. Und schon vor der offiziellen Eröffnung, so teilte die Messe mit, wurden zirka 40 Millionenverkäufe getätigt! Der Kunstbetrieb boomt ganz zweifellos: Es gibt mehr Kaufwütige, mehr Künstler, mehr Events denn je… Eins jedoch scheint Mangelware, nämlich kluge Kriterien zur Kunstbewertung. Die Künstlergruppe ohm41 räumt das Problem nun mit einem Normierungsverfahren aus der Welt. Was dabei herauskommt, zeigt die Kunsthalle Wil.

Wir leben in einer Welt, die schön ordentlich, ja, am liebsten genormt, sein soll. Denn Normen geben Sicherheit. Unsere Normierungslust verhilft uns zu Luftqualität und Brandschutzregeln. Sie bewertet Menschen mit Noten und Credits. Und sie definiert vergnügt, wie gross Kartoffeln und krumm Bananen sein dürfen. Normen sind wichtig. Sie erlauben uns, Dinge in gut und schlecht zu unterteilen. So geben sie auch dem, der sich nicht richtig mit einer Sache auskennt, stets Orientierungshilfe.

Endlich gibt es auch klare Normen inklusive Zertifizierungsurkunde für die Bewertung von zeitgenössischer Kunst. Verdanken darf man diese der Künstlergruppe ohm41, einem Verbund von Kunstschaffenden aus St.Gallen und dem Thurgau.

Seit 20 Jahren künstlerisch aktiv

ohm41 besteht im Kern aus sieben Akteuren. In ihrer heutigen Form hat sich die Gruppe 1999 gebildet. Doch schon in den 80-ern realisierte die damals noch sehr locker formierte Runde Ausstellungen und Aktionen. Die Gedanken dahinter: Sich künstlerisch von klassisch bis experimentell mit aktuellen Tendenzen auseinandersetzen. Zu- und Missstände hinterfragen. Institutionen, Macher und Sparten vernetzen und dabei Stadt und Region Wil mehr Gewicht verschaffen.

2019 also wird das 20-jährige Bestehen gefeiert. Und zu diesem Anlass hat ohm41 sich selbst ein Geschenk gemacht. Im Januar hat die Gruppe eine Lizenz des deutschen Standardisierungsinstitutes Norm014 erworben. Diese Lizenz befugt ohm41, sich als unabhängiges und neutrales Kunstprüf- und Zertifizierungsinstitut zu betätigen.

Werke aller Art dürfen die «Öhmler», wie sie sich selber nennen, nun nach klaren Richtlinien auf die künstlerische Qualität abklopfen.

Kunst-Kriterium: «Mögliches Abtropfen beim Brand des Werkes»

Und das haben sie in den vergangenen Monaten getan. In ihrer Jubiläums-Schau mit dem Namen «7 mal 20» (Sieben Akteure, 20 Jahre) in der Kunsthalle Wil zeigen sie 47 Werke anderer Kunstschaffender. Sämtliche dieser Werke, vom kleinen Collagebild bis hin zur grossen Rauminstallation, durchliefen im Vorfeld ein durch ohm41 durchgeführtes Audit. Es ist unwahrscheinlich, dass je zuvor Werke nach derart absurden, aber immerhin offiziell normierten, Kriterien wie: «Mögliches Abtropfen beim Brand des Werkes», «Geruchsemission des Werkes» oder «Falsche Farbwahl (z.B. zu viel rot)» für eine Ausstellung ausgewählt wurden. Aber das, was am Schluss dabei herausgekommen ist, lässt sich sehen und liefert grossartigen Einblick in die Vielfalt zeitgenössischen Kunstagierens.

 

   

 

Wie gut also, dass ohm41 diese Befugnis zum Zertifizieren hat! Oder, das wird plötzlich klar, es ist wohl mehr eine Be-unfug-nis. Denn es ist Unfug und reinste Parodie, was ohm41 durch Zertifizierung von Kunst hier treibt.

Schwachsinn genormter Bewertungskriterien

Tatsächlich knöpfen sich die «Öhmler» mit ihrem Projekt den heutigen Kunstbetrieb in seiner Überheblichkeit vor. Dafür auditieren sie auf absurde Weise andere Kunstschaffende und visualisieren den Schwachsinn genormter Bewertungskriterien, indem sie, begründet durch Audits, Werke nebeneinander platzieren, die sonst nie zusammenfänden. Untrüglich zeigt sich, dass für Kunst in ihrer Verschiedenheit normierte «Messinstrumente» ebenso wie nivellierende Denkmuster nichts taugen.

Verblüfft erkennt man, dass das ohm’sche Zertifizierungs-Projekt in Wahrheit eine Langzeit-Performance ist: Vom Erwerb der Lizenz bis zur Schau in Wil. Es ist eine Performance, die ohm41, den mitwirkenden Kunstschaffenden und der Kunsthalle Wil alle Ehre macht. Mit breitem Grinsen zieht man hier gemeinsam all jene durch den Kakao, die meinen, eine Bewertungshoheit für zeitgenössische Kunst gepachtet zu haben. Zugleich wird der Ruf nach Besinnung auf tragfähige und allenfalls neue Bewertungs-Kriterien laut. Kriterien, die dem Kunstschaffen der Gegenwart wirklich gerecht werden können.

Ausstellung bis 14. Juli 2019

www.kunsthallewil.ch

http://ohm41.ch/

Wo sich die Geister scheiden…

An abstrakter Malerei scheiden sich die Geister. Noch bis 1. Juni bietet Bignia Corradini jedem eine erneute Chance sich drauf einzulassen. Und zwar in ihrer Schau «Losgelöste Zentren» in Arbon.

Abstrakte Malerei gibt es seit rund hundert Jahren. Damals wie heute gehen die Meinungen darüber auseinander. Doch eine, die sich seit vierzig Jahren dazu bekennt, ist die Künstlerin Bignia Corradini.

Die gebürtige Zürcherin zog Anfangs der 70er, mit grade mal 21 in die deutsche Hauptstadt. Dort, in Berlin, studierte sie an der Hochschule der Künste Malerei. Zu Beginn waren ihre Arbeiten gegenständlich: Frauenkörper oder Vulkane. Aber schon in den 80ern kamen Abstraktes dazu, bis dieses innerhalb nur eines Jahres ganz die Oberhand gewannen.

Ups & Downs im Leben

Das, was die Künstlerin, deren Arbeiten unter anderem in der Kunstsammlung des Kantons Zürich oder dem Bündner Kunstmuseum vertreten sind, in ihren Werken erzählen will, sind Geschichten vom Leben. Vom Leben,  mit seines „Ups and Downs“, vom Agieren in menschlichen Beziehungen und vom Lauf der Zeit, der das Jetzt unmittelbar zum Schon-Nicht-Mehr macht.
Ihre Geschichten packt Corradini auf grosse und kleine Flächen. Mal runde, mal eckige. Und seit 1992 erschafft sie auch dreidimensionale «BildObjekte»: malerisch bearbeitete Zylinder, Kästen oder Kugeln, die sie in den Raum platziert.

Regelrechtes «Lebenswogen»

Wie die Künstlerin ihre Farben aufträgt, kommt auf die einzelne Geschichte an. Manchmal nutzt sie grafische Farbfelder. Die wirken wie Mosaiksteine oder das Innere eines Kaleidoskops, splittrig und wechselhaft wie das Schicksal selbst – und scheinen Bildern des Zürcher Malers Max Bill nahe zu stehen.

Blick auf Bignia Corradinis Arbeiten, bis Anfang Juni zu sehen in der „Galerie Bleisch“ in Arbon

In anderen Arbeiten setzt die seit nunmehr über 40 Jahren in Berlin lebende Corradini mit wildem Pinselschwung Farbbögen und Formfetzen auf die Bildträger. Es sind Formen, die sich verdrängen, begleiten oder bremsen. Ein regelrechtes «Lebenswogen» und wildes, pausenloses Ausloten des malerisch Möglichen – den Werken von Fritz Winter oder Kandinsky verwandt.
Ruhiger, doch im Wesen fast dringlicher, wirken daneben die «BildObjekte». Aus bemaltem Holz, Stahl oder Spiegelglas überwinden sie die Distanz zwischen flächigem Bildraum und Realraum. Tatsächlich brechen sie so in die echte Welt, die ja den Stoff für Corradinis Geschichten liefert, hinein und werden Teil davon.

Man kann von abstrakter Kunst halten was man will… aber für mich steht fest: Bignia Corradinis Arbeiten werden die Fan-Gemeinde dafür zweifellos vergrössern.

Bis 1. Juni
Mi bis Fr 14-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr oder nach Vereinbarung

Adrian Bleisch
Grabenstrasse 2 · CH 9320 Arbon
T 071 446 38 90 · M 077 443 04 50

Kopfüber zum «Weltstar» – George Baselitz

Schwingt die Hufe und ab nach Riehen! Denn heute güggselt der Puck mal in die Nordwestschweiz und auf einen Künstler, der abgehackte Füsse malte, wegen «gesellschaftlicher Unreife» von der Hochschule flog, später die Welt auf den Kopf stellt und im vergangenen Januar 80 wurde. Es geht um George Baselitz. Zu seinem runden Geburtstag zeigt die Fondation Beyeler eine Retrospektive und gibt Einblick in ein überschäumendes und seit sechs Jahrzehnten andauerndes Kunstschaffen. 

Wenn es um George Baselitz geht, der 1938 als Hans-Georg Kern in Sachsen zur Welt kommt und 1961 den Namen seines Geburtsortes Deutschbaselitz annimmt, sind rasch Superlative zur Hand. Vom trockenen «einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit» bis hin zum poppigen «Weltstar»-Begriff wird mit allerlei hantiert, um diesen Mann und seine Bedeutung für die Kunstgeschichte einzuordnen. Die Überschwänglichkeit versteht man spätestens dann, wenn man durch die 11 Säle der chronologisch aufgebauten Schau im Basler Vorort Riehen schlendert.

Georg Baselitz – Saalimpression mit der Werkgruppe «Dresdner Frauen» (1989-1990) und «Der Brückechor» (1983); © Georg Baselitz, 2018; Foto: Dorothee Haarer

Gleich zu Beginn der rund 90 Gemälde umfassenden Ausstellung werden Highlights der frühen Jahre vor 1966 gezeigt. Es sind Werke aus der «Heldenreihe» mit verzerrten Körpern, gehalten in blutig-fleischigen Tönen, die Kriegswunden ahnen lassen und verstören. Im Anschluss folgen die «Frakturbilder», die zwischen ’66 und ’69 entstehen und worin Baselitz Motive – Hundekopf, Mann, Kuh –  in splittrige Fragmente zerlegt und neu zusammensetzt: zu chaotischen Welten in denen Perspektive nicht existiert. Die Zäsur, die des Künstlers Werk zweiteilt, erfolgt 1969. Baselitz will nach wie vor dem Figürlichen treu bleiben, sich aber weniger dem abgebildeten Gegenstand widmen, als der reinen Wirkung des Bildes. Als Konsequenz erschafft er sein erstes Motiv auf dem Kopf und wird schlagartig berühmt. Diesem Schritt ist er nach wie vor treu und bis heute ohne Nachahmer.
In zahlreichen Sujets, unter anderem Porträts – immer wieder malt er seine Frau Elke, sich selbst und Wegbegleiter – spielt er über Jahrzehnte hinweg mit der Welt kopfüber. So vermittelt er seinen Blick auf das Leben und bezieht Stellung zu dem, was um ihn geschieht: mal kritisch, dann rabiat. Nie leise, nie geschmeidig.

Fussspuren auf der Leinwand

Eines seiner Hauptwerke, die 20-teilige Werkserie mit dem Titel «’45» aus dem Jahr 1989 ist als grossflächiges Fries aus quadratischen Holzplatten im Untergeschoss der Fondation zu finden. Der Werktitel bezieht sich auf das Ende des zweiten Weltkrieges. Und die Tafeln, die mit tiefen gitterartigen Kerben versehen sind und expressive Köpfe kopfüber zeigen, wirken wie aufgewühlte Schlachtfelder und vereinen spannungsreich Malerei, Skulptur und Zeichnung miteinander.

Georg Baselitz – «’45» (1989); © Georg Baselitz, 2018; Foto: Dorothee Haarer

Packend sind schliesslich auch die jüngsten Arbeiten aus dem letzten Jahr, wie das Bild «Bis auf weiteres abwärts». Baselitz erschafft dort gleissende neon-rosa Lichtgestalten, deren Beine Bewegungen wie beim Abwärtssteigen vollführen. Da der Maler diese Schritte allerdings zum oberen Bildrand hin setzt, entsteht eine Irritation beim Betrachter. Ist tatsächlich eine bewusste Schrittfolge gemeint? Oder werden hier Füsse Richtung Himmel gesogen? Eindrücke vermischen sich. Verwirren sich. Werden eins.

Baselitz Bildformate sind gross bis gigantisch, der Farbauftrag regelrecht von Raserei getrieben: Dick klebt die Farbe auf dem Bildträger, zeigt deutlich Kratzer oder Fingerspuren. Tatsächlich erkennt man auch immer wieder Fussabdrücke auf der Leinwand. Denn der Künstler läuft über manches Bild, da seine Grossformate oft nur auf dem Boden liegend zu bearbeiten sind.

Mit der Kettensäge

Neben den Malereien sind auch 12 der so unverkennbaren Holzarbeiten des Künstlers mit von der Partie, die jeweils aus einem Stamm geschält und mit der Kettensäge weiterbearbeitet werden. Den Auftakt macht Baselitz’ erste Skulptur. Sie ging 1980 auf der Biennale in Venedig für Deutschland ins Rennen und sorgte für einen kreischenden kulturpolitischen Skandal, deuteten doch die eifrigen Medien fälschlicherweise den ausgestreckten Arm der Liegefigur als Hitlergruss. Im Saal nebenan trifft man auf archaische, gelbbemalte Riesenschädel. Das bildhauerische Schlusslicht geben in Saal 9 der Künstler selbst und seine Ehefrau als überdimensionales Figurenpaar. Mit «Meine neue Mütze» aus dem Jahr 2003 und der ein Jahr später entstandenen «Frau Ultramarin» erschafft Baselitz quasi ein Doppelporträt und verdeutlicht dem Betrachter durch die grobe Beschaffenheit und Monumentalität der Gestalten die eigene Verletzlichkeit.

Georg Baselitz – Saalansicht mit den Skulpturen «Meine neue Mütze» (2003) und «Frau Ultramarin» (2004); © Georg Baselitz, 2018; Foto: Dorothee Haarer

Nach 11 Sälen und einer Zeitreise durch 60 Jahre Künstlertätigkeit ist man am (vorläufigen) Ende dieses wuchtigen Lebenswerks angelangt, das Kurator Martin Schwander eindrücklich in Szene gesetzt hat. Und man steht vor der Tür, mit einem grossen Wunsch im Gepäck: dass das baselitz’sche Schaffen noch lange weitergehen möge.

 

Bis 29. April

https://www.fondationbeyeler.ch/

Last Call – „The Pond Room“

Eine Kunstschau etwas abseits vom eigentlichen Ostschweizer Ausstellungsgeschehen – aber unglaublich empfehlenswert: Hans Op de Beecks „The Pond Room“ im Kunstraum Dornbirn, direkt hinter der österreichischen Grenze. Zu sehen gibt es eine installative Traumwelt mit einem mystischen Teich als Herzstück mittendrin. Noch eine Woche: Die Finnisage ist am 10.September! Last call…. sozusagen.

In der alten Monatgehalle, die als Ausstellungsraum agiert, empfängt den Besucher ein grosser, rechteckig angelegter Teich. Seerosen sitzen darauf. Bäumchen und Kieswege sind darum arrangiert. Idyllisch. Fast unwirklich schön. Dass hier wirklich vieles unwirklich ist, wird einem spätestens dann klar, wenn man den Finger ins schimmernde Teichwasser stecken will und dabei merkt, dass das nichts anderes ist, als eine harte Kunststoffplatte.

Der Teich als Spiegel

Teiche faszinieren – aber sie ängstigen auch. Vordergründig ist der Teich eine glatte Oberfläche, in der man sich sehen kann. Hintergründig versinnbildlicht seine (unbekannte) Tiefe das Düstere der menschlichen Existenz und lässt fragen, ob es wohl gelingen mag, aus den eigenen (seelischen) Untiefen wieder aufzutauchen, wenn man erst einmal darin versunken ist. Ebenso gefährlich kann es aber auch sein, sich den Untiefen nicht zu stellen und nur an der Oberfläche herum zu dümpeln. Droht dann nicht seelische Verkümmerung?

 

Es erstaunt nicht, dass der Teich immer wieder als Spiegel gedeutet wird, der uns unser Innerstes offenbart. Man denke nur an den Mythos von Narziss. Darin verliebt sich der Knabe beim Blick ins Wasser in sein eigenes Spiegelbild und ertrinkt letztlich beim Versuch, dieses Bild beim Eintauchen in das Wasser zu erreichen. Er ist unfähig, zu erkennen, dass er nur sich selbst erblickt.

In gewissen Märchen dient der Teich als Heimat von Wassermännern und Nixen, wobei gerade letztere oft danach trachten, Menschen, die dem Gewässer zu nahe kommen, in dessen Untiefen herab zu ziehen. Eine Warnung für den neugierigen Homo sapiens, der sich Bereichen nähern möchte, von denen er besser die Finger liesse? Getreu dem Motto: „Wer die Gefahr sucht, wird darin umkommen.“?

Oder soll man Op de Beecks Teichlandschaft als ruhevollen „Place to be“ verstehen…ein Ort jenseits des Alltaglärms und einladend, der aufgepeitschten Seele etwas Ruhe zu gönnen?

Es ist reizvoll – aber keineswegs zwingend – sich auf solche Gedanken einzulassen, wenn man den „Pond Room“ in Augenschein nimmt.

Sein und Schein

Für mich persönlich steht jedenfalls fest: Beim Spiel mit der Symbolik des Teiches geht es um zwei Seiten der selben Medaille, nämlich um die beiden Aspekte unserer Existenz: Äusserlichkeit (oder sollte man sagen: Oberflächlichkeit?) des Körpers und Innerlichkeit sowie Tiefe der Seele. Es geht um Schein und Sein.

Um Sein und Schein geht es Op de Beeck übrigens  auch in seiner Videoarbeit „ Staging Silence (2)“ aus dem Jahr 2013, die in einem Schuppen in der Montagehalle gesondert präsentiert wird. In seiner Filmarbeit führt er dem Betrachter vor, wie aus Schokolade, PET-Flaschen und vielem mehr täuschend echte Landschaften erbaut und gleich wieder zerstört werden.

Mein Fazit: „The Pond Room“ ist rundum ein Ort, in dem die Sinne genarrt werden und Sein und Schein verschmelzen. Und der dazu einlädt viele, viele Gedankenspiele zuzulassen….WOW.

 

Zwei in eins – Krautrock und Seelenbilder

Gleich zwei lohnenden Ausstellungen im Museum im Lagerhaus in St. Gallen! Bereits seit 20. August werden bislang unbekannte Bijoux des Künstlers Werner Baptista aus der museumseigenen Sammlung präsentiert. Und ab dem 28. August gibt’s unter dem Titel „Kunst, Krautrock und Tarot“ fantastische Bildwelten von Ausnahmekünstlers Walter Wegmüller zu bestaunen. Nicht verpassen!

Von Werner Baptista weiss man bis heute unglaublich wenig. Er wurde 1946 in der Schweiz geboren, ging mehrere Jahre zu See und strandete schliesslich in Paris, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2012 lebte. In Paris betätigte sich Baptista mehr oder weniger unentdeckt als Künstler, brachte offensichtlich auch die Erlebnisse seiner Seefahrer-Zeit  in Zeichnungen, Collagen und Acryl-Malereien zum Ausdruck. Man muss es als Glücksfall betrachten, dass Baptistas Nachlass von Paris aus den Weg nach St. Gallen gefunden hat. Denn als Autodidakt hat er es trotz anfänglicher Erfolge nie so recht in die Öffentlichkeit geschafft.

Über viele Jahre hinweg sind dennoch grossformatige, wunderbar-expressive Pastellkreide-Zeichnungen entstanden. Aber auch überbordende Notizbücher, wo auf jeder einzelnen Seite Collagen mit unterschiedlichsten Materialien zu finden sind. Oder grellbunte Acryl-Bilder mit dämonischen Fratzen und wilden Formen.

Werner Baptista: „Die ewige Nonne“, 26.08.1991© Museum im Lagerhaus

Werner Baptista, Ohne Titel (Skizzenbuch), 1999-2000 © Museum im Lagerhaus

Dämonische Fratzen – sowie noch vieles, vieles mehr – findet man auch im Werk des 80-jährigen Walter Wegmüller. Anlässlich seines runden Geburtstags zeigt das Museum im Lagerhaus eine gross angelegte Schau seines Lebenswerkes – und gibt dabei auch Einblicke in Wegmüllers unglaubliche Biografie.

Bilder aus dem Innersten

Als Kind von Fahrenden wurde er seinen Eltern bereits als Säugling geraubt und erlebte in den Kinderjahren unglaubliche Torturen als Verdingbub. Erst mit 21 Jahren fand er seine leibliche Mutter und damit auch seine tatsächliche Identität. Ohne den Genuss einer Schulausbildung, jedoch mit dem innigen Wunsch, seine traumatischen Kindheits-Erlebnisse zu notieren, begann er, sich nicht in Buchstaben, dafür in symbolhaften Bildern sein Inneres von der Seele zu schreiben.

Kein Wunder also, dass man in Wegmüllers Werken auf albtraumhafte Motive stösst, wie etwa den „Frontfüssler“ aus dem Jahr 1968/69 – eines seiner Hauptwerke. Aber man trifft auch auf Bilder voller Lebensbejahung, wie etwa die zahlreichen Seiltänzer-Arbeiten, in denen sich Wegmüller mutig den menschlichen Balance-Akten stellt.

Walter Wegmüller, „Frontfüssler“ 1968-69 © Walter Wegmüller

Walter Wegmüller, „Der Seiltänzer und Maler“,1994, Privatbesitz © Walter Wegmüller

Zugegeben: Diese Kunst ist weder leicht verdaulich noch entspricht sie dem, was dem Mainstream entspricht. Das ist aber auch nicht die Idee, denn das Museum im Lagerhaus ist für seine Ausrichtung auf Art Brut, Outsider Kunst und Naive Kunst bekannt. Und mit Walter Wegmüller und Werner Baptista wird es dieser Nische auf’s Beste gerecht.

Mein persönliches Statement

Was mich an beiden Künstlern so berührt, ist, dass man ihnen ihr inneres Ringen anmerkt. Wenn man vor den Arbeiten steht, spürt man, dass da vieles die Seele bedrängt und sich auf künstlerischem Wege nach aussen eine Bahn bricht. Von Baptista ist so wenig bekannt, dass man fast nur mutmassen kann, was ihm im Leben wohl alles passierte. Von Wegmüller hingegen weiss man genug, um als Betrachter jedem Bild die biografische Grundlage zuordnen zu können – das trifft.

Beide Ausstellungen laufen bis 12. November. Hier geht es zu den Öffnungszeiten

Event to go: 55 x Licht & Schatten

Es war einmal eine Gruppe von Badegäste auf den „Drei Weieren“ – die hatte künstlerische Ideen. Bald war daraus das Künstlerkollektiv [MM:55] geboren. Und dieses hat nun eine Idee in die Tat umgesetzt: Nämlich anderen Liebhabern und Besuchern der „Drei Weieren“ zum Schluss der Sommerferien einen besonderen Anlass anzubieten. Unter dem Titel  55 x Licht & Schatten findet dieser am 5. August statt. Wo, wie und wann genau erfahrt ihr hier. Und auch, was man darunter verstehen darf…

Am Mannenweiher in St. Gallen geht’s am Samstag, 5. August 2017 zwischen 6 und 13 h zur Sache…. Dann nämlich warten auf den Holzstegen 55 ausgelegte weisse Badetücher auf die Badegäste und erinnern so an „frühmorgendliche Reservierungsvorgänge“, wie die Initianten es formulieren.

 

Körper-Umriss in Air-Brush-Technik

Nun allerdings können eintreffende Besucher des Weihers sich auf den für sie vorbereiteten weissen Tüchern nieder lassen. Die Sonne, die Wärme, das Licht geniessen. Und man kann sich die eigene Silhouette, den eigenen Körper-Schatten aufs Tuch malen lassen: als Umriss mit Stift nachgezeichnet und dann mit Air-Brush ausgefüllt, schattiert. Das so entstandene persönliche Kunstwerk kann man als Unikat käuflich erwerben und mit nach Hause nehmen.
Witzige Aktion an einem der schönsten Orte St. Gallens! Deswegen: Vorbeischnippen und ausprobieren!

Mehr Infos dazu auch auf Facebook

(Bilder: Kollektiv MM 55 und http://www.milch-huesli.ch/milchhuesli/)

„Geiler Block“ – Kunstspektakel in Trogen

Bigger, better, ELEPHANT – so könnte man die zweite Auflage des „Geilen Blocks“ wohl beschreiben. Nachdem Kunstfigur Leila Bock (alias Künstlerin Anita Zimmermann) bereits 2015 einen Haufen Kunstschaffender zusammengetrommelt hat, um in einem Abrisshaus im St. Galler Rotmonten-Quartier Kunst mal richtig krachen zu lassen, macht sie nun Trogen unsicher. Ab HEUTE, 9. Juni um 18.30h ist es wieder soweit. Hier weitere Details…
Leila Bock hat 30 KünstlerInnen von Berlin über Zürich bis nach Appenzell eingeladen, im leerstehenden ehemaligen Versandhaus Cornelia an 3 Wochenenden im Juni auszustellen. Freitag und Sonntag werden jeweils „Schnörkel-Texte“ vorgetragen.

Schnörkel-Texte

Für diese Texte hat Leila Bock hat ‚Freunde von Künstlern’ angefragt, einen Schnörkel-Text zu schreiben und dem Publikum vorzutragen. Über, wie es auf der Website heisst „ein Thema, das schon lange für eine Rede parat war, etwas Schönes, Wichtiges oder Unwichtiges, frei Erfundenes, wenn nicht sogar Unwahres, etwas Überflüssiges, so wie die Schnörkel der Fraktura-Schriften, unsinnig und unlogisch Schönes.“ Am Samstag hat es Musik an der Bar und am Sonntag gibt es Frühstück.

„botanico“ (Stefan Rohner)

Mit von der Partie sind übrigens unter anderem Andrea Vogel, Stefan Rohner, Christian Hörler und viele mehr…
Hier findet sich der Info-Flyer von Geiler_Block_2017 zum Downloads.

„Must hear“: Klangkosmos mit Christian Zehnder im LATTICH

Flohmärkte, Performances und manches mehr: Zur Zeit tut sich viel in Sachen Kultur auf dem Güterbahnhofareal in St. Gallen. Das Zwischennutzungs-Projekt „Lattich“ treibt auch 2017 wilde und wunderbare Blüten. Eine davon ist Christian Zehnder und seine SONGS FROM NEW SPACE MOUNTAIN. Ein musikalisches Experiment, das seines gleichen sucht und am 27. Mai um 20 h zu erleben ist! Ran an die Tickets!

Das Kuratorenteam Ann Katrin Cooper und Tobias Spori, das Zehnder für den Auftritt ins Lattich geholt hat, erklärt dazu:

„Er ist Vo­ka­list, Stim­men­künst­ler, Jod­ler und Ober­ton­sän­ger! Alles trifft auf ihn zu und doch will sich der ei­gen­wil­li­ge Schwei­zer Mu­si­ker, der schon mit dem un­ver­gleich­li­chen Duo Stimm­horn die al­pi­ne Musik neu auf­misch­te und Kult­sta­tus ge­niesst, in sei­ner Viel­falt nicht ein­ord­nen las­sen. Chris­ti­an Zehn­ders mu­si­ka­li­sche Welt schöpft aus den ar­chai­schen Ver­laut­ba­run­gen der mensch­li­chen Stim­me und ist ganz im Topos der al­pi­nen Welt ver­an­kert.

“Eine Reise durch einen un­ver­gleich­li­chen Klang­kos­mos – ein aus­ser­ir­di­scher Hei­mat­abend!”

Aus dem Um­feld des (Musik-) Thea­ters und der zeit­ge­nös­si­schen Musik ent­wi­ckel­te der Stim­men­künst­ler fern­ab von Tra­di­tio­nen eine ganz ei­ge­ne Musik, die auch als ima­gi­nä­re Uto­pie der Hei­mat ver­stan­den wer­den kann.

Christian Zehnder (Foto: Nils Fisch)

Als So­list, Kom­po­nist und Re­gis­seur trans­for­miert er Es­sen­ti­el­les aus dem al­pi­nen Schaf­fens­raum in ver­schie­de­ne Dis­zi­pli­nen und be­haup­tet darin kom­pro­miss­los eine ei­gen­stän­di­ge künst­le­ri­sche Vi­si­on: den new space moun­tain.“

Chris­ti­an Zehn­der (CH): Stim­me, Ober­ton­ge­sant, Glo­bal-Jo­de­ling
Ma­ni­pu­lier­te Klang­werk­zeu­ge: Wipp­kor­de­on, Mund­pfei­fen, Trüm­pi, Tau­cher­bril­le, Schel­le, Mi­ni­moog, Elec­tro­nic Tan­pu­ra u.a.

Ort: HALLE – Raum für die Künste im Lattich-Quartier, Güterbahnhofstrasse 8, 9000 St.Gallen
Tickets: 30 Fr / 15 Fr ermässigt | www.lattich.ch oder an der Abendkasse ab 19 Uhr

Über Mauern und Menschen – Glaser/Kunz in der Kunsthalle Wil

Vor rund einer Woche kroch eine Mauer durch die Wiler Innenstadt. Initiiert wurde die Aktion vom Künstlerduo Magdalena Kunz und Daniel Glaser. Ab 8. April behandeln die beiden nämlich das Thema «Mauer» in einer Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel  in der Kunsthalle Wil. Ihre Mauer-Performance am 25. März lieferte quasi den Prolog dazu.

Zwei Meter hoch – acht Meter lang. In diesem Format zog sich die «Wandernde Mauer» einen Samstag hinweg durch die obere Bahnhofstrasse in Wil. Das «Wandern» war möglich, da eine Gruppe von Bauleuten die Mauer vorne auf- und hinten abbaute und so die zahlreichen Backsteine in Bewegung brachte.

Haben Menschen eine Meinung zu «Mauer»?

Parallel zur Bauaktion gingen die Künstler selbst auf die Passanten zu. Mit Mikro und Kamera bewaffnet wollten sie die Meinung der Menschen einfangen, was sie von dieser Mauer halten, welche Ideen ihnen dazu in den Kopf kämen. In Zeiten von Trump, Erdogan, anhaltenden Flüchtlingsströmen und Brexit eine heisse Sachen. Haben Menschen, wenn man sie überraschend auf der Strasse abfängt, etwas zum Thema «Mauer» zu sagen?

 

Ausschnitte der Befragung werden in Form einer Video-Arbeit vom 9. April bis 21. Mai in der Kunsthalle Wil zu sehen sein. Ausserdem werden Glaser/Kunz eine ihrer ungewöhnlichen und geradezu fantastischen kinematographisch animierten Figuren-Konstellationen in Wil zeigen.

Hinsehen lohnt sich!

„Performance“ (2009) – Kinematografische Skulptur von Glaser/Kunz

Und wer’s nicht aushält, bis zum 9. April zu warten, kann vorab bereits im Thurgau Glaser/Kunz bestaunen. Dort präsentiert die Kartause Ittingen noch bis zum 6. August unter dem Titel «Ich ist ein anderer» eine Reihe der «Kinematografischen Skulpturen» dieses spannenden Künstler-Duos.

Mehr zur Mauer-Performance auch hier: Tagblatt, 26. März 2017

 

 

(Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung Magdalena Kunz & Daniel Glaser)

Weltmusikalisches Feuerwerk

Drei Geiger, ein Cellist und ein Kontrabassist aus Polen bilden das „Volosi Quintett“. Es tritt am kommenden Sonntag, 12. März bei kleinaberfein in St.Gallen auf. Man darf auf ein weltmusikalisches Feuerwerk gespannt sein, verspricht Veranstalter Richard Butz.

Butz erklärt, dass im „Volosi Quintett“ zwei klassisch ausgebildete Musiker auf drei Dorfmusiker aus den polnischen Karpaten (Beskiden) aufeinander treffen. „Diese fünf Musiker tauchen tief in ihre musikalischen Traditionen ein, sprengen Grenzen und Kategorien, improvisieren und tanzen auf ihren Streichinstrumenten – bis hin zur Trance“, erläutert der Musikkenner weiter.

Ähnlich begeistert wie Richard Butz hat sich vor einigen Jahren auch der WDR schon zu den fünf Musikern aus Polen geäussert. Damals klang das so: „Das polnische Quintett Vołosi: ungeheuer energetisch, zupackend, mitreissend, ein Feuer, das aus dem Funkenflug zwischen klassischer Virtuosität und hochgebirglerischem Tanzboden-Drive entsteht“.

Die Besetzung

Krzysztof Lasón – Geige
Zbigniew Michałek – Geige
Stanisław Lasón – Cello
Jan Kaczmarzyk – Bratsche, Dudelsack
Robert Waszut – Kontrabass

Das Konzert findet im Musiksaal des Centrums dkms (Diözesane Kirchenmusikschule), Auf dem Damm 17 / Gallusplatz, St.Gallen, statt und beginnt um 17 Uhr. Türöffnung ist um 16.30 Uhr. Reservation wird empfohlen unter: kontakt@kleinaberfein.sg. Mehr Infos unter: www.kleinaberfein.sg

Apropos: Das international auftretende Quintett kommt erstmals nach St.Gallen. Also…..!!!!

 

Kontakt:

kleinaberfein (Kaf) St.Gallen
c/o Richard Butz
Postfach 22
9004 St.Gallen

fon und mail: 071 – 222 40 06 ; buewik@bluewin.ch