Eruk Soñschein, St. Gallen (SG)

Wer Eruk Soñschein ist: Eruk Soñschein, alias Kathrin Rieser, ist seit Jahren spartenübergreifend in den Bereichen Bildende Kunst, Theater und Performance tätig. 2013 zeigte Kathrin Rieser in der Galerie vor der Klostermauer in einer Einzelausstellung eine Reihe ihrer Werke. 2015 war sie zu einem Atelieraufenthalt, den die Kulturkommission der Stadt St. Gallen ihr zugesprochen hat, in Buenos Aires .

 

„miroir“ (Mixed Media, 2010)

 

Über die Arbeit „miroir“ (2010)

Eruk Soñschein erschafft ihre Wesen aus Weggeworfenem, „Wieder“-Gefundenem und wertet dieses durch ihre Bearbeitung neu. Oft haucht sie ihren Gestalten regelrecht neues Leben ein, indem sie sie in Bewegung versetzt: Mechanisch werden da Hüften zum Schwingen gebracht, Nähnadeln zum Nähen.

Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass diese Figuren aus Dingen bestehen, die schon mal woanders dazu gehört haben, aus Einrichtungsgegenständen längst demontierter Puppenhäuser und nicht mehr geliebten Lieblingsdingen: Jedenfalls können sie bei der Betrachtung zwei starke Eindrücke wecken: Hilflose Zerbrechlichkeit und beklemmende Morbidität.

Wie etwa bei der kleinen Tänzerin vor dem Spiegel, deren Fragilität man spürt. Zugleich macht sich aber auch ein weiterer Eindruck breit: Ein Gefühl von Verfall, das Angst macht. Die Gestalt, weissgesichtig, steht vor einem Spiegel. Mittels des durch die Künstlerin eingebauten Antriebes, dreht sie langsam und ungelenk die Hüften. Der Körper ist aus kantigen Holzelementen gemacht, er wirkt fast wie ein Skelett. Die von einer Tänzerin zu erwartende, auch optische, Geschmeidigkeit fehlt. Irritierend erscheinen neben den spindeldürren Extremitäten der beinahe grotesk ausladende Busen, die üppige Hüfte. Beides lädt nicht zur Berührung ein, sondern wirkt eher bedrohlich. Man denkt an Zerfall, wenn man das poröse Material der Hüfte in Augenschein nimmt. Nicht an Erotik. Die ganze Figur – ein Widerspruch in sich.

Es ist eine Figur, in der man viel des Kampfes mit den eigenen Grenzen und der dazugehörenden Verzweiflung finden kann. Was passiert mit dieser Tänzerin, wenn ihr (mechanischer) Antrieb versagt? Gibt der fragile Knochenkörper auf? Oder löst er sich wie durch Zauberei aus seiner Halterung, um sich an uns, den fast voyeuristisch neugierigen Betrachtern, zu rächen? Durch die Wahl ihres Arbeitsmaterials und ihrer Inszenierungen zieht die Künstlerin den Betrachter in eine Welt hinein, die die Phantasie mit einem durchgehen lässt und unerwünschte Gefühle anstösst: Unsicherheiten, Abscheu und Beklemmungen.

(c) Dorothee Haarer

Mehr über Eruk Soñschein gibt in diesem Beitrag des St. Galler Tagblatts zu lesen!