ein modell ist kein ausgestopfter fuchs

Kleider runter, stillstehen, Geld verdienen? Klingt toll und eigentlich ganz einfach. Zumindest, wenn man gerne die Hüllen fallen lässt und nicht schnell friert… Oder gibt’s noch mehr, was es zum Beruf des „Akt-Modells“ zu sagen gibt? Ich habe einmal nachgefragt: bei Liliana Koller, Jahrgang 1988, berufstätige Sozialpädagogin und  Aktmodell im Nebenjob. Und bei Claudia Züllig, Aktzeichnerin und Lehrerin an der Schule für Gestaltung. In welchem Fach wohl? Na klar!

Liliana, du hast „Soziale Arbeit“ studiert, bist in diesem Berufsfeld auch seit letztem Jahr berufstätig und arbeitest nebenbei als Aktmodell. L:  Ja, das ist irgendwie lustig. Aber es scheint in der Familie zu liegen. Ich habe noch vier Schwestern, die auch schon alle Modell standen – meine Mutter übrigens auch.

Wie bist du an den Job gekommen und was gefällt dir daran?  L: Ich bin vor 7 Jahren über eine meine Schwestern dazu gekommen. Angefangen habe ich dann, weil mich als Studentin einerseits der finanzielle Aspekt gelockt hat. Andererseits fand ich aber auch den Kontakt zu den Kunstschaffenden klasse. Ich hatte vorher schon die gestalterische Maturität gemacht und war von Kunst fasziniert.

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Liliana als sitzender Akt. Gezeichnet von Claudia.

Claudia, du bist eine dieser Kunstschaffenden. Während des Zeichnens bist du „auf der anderen Seite“, sezierst Liliana praktisch mit Blicken. Wie fühlt sich das an? C: Ich empfinde das Aktzeichnen gar nicht als „sezierend“. Es ist für mich etwas Prüfendes. Ein Bezugnehmen auf eine Form, oder eher noch: eine Gegenform. Das Modell ist sowas wie eine beseelte Landschaft. Das ist stimulierend. Ich empfinde Aktzeichnen als belebend, weil ich mich da total fokussiere und den Kopf von allem anderen frei mache.

 Aktzeichnen ist Teamwork zwischen Zeichner und Modell

Liliana, dir geht es in diesem Moment des Gezeichnet-Werdens doch sicher anders? Oder? L: Der Blick der Zeichnenden hat mich nie gestört. Ich habe ein gutes Körpergefühl und mir war es auch nie unangenehm, angeschaut zu werden, wenn ich nackt bin. Am Anfang dachte ich zwar noch, ich muss mich verrenken, damit die Pose gut aussieht. Ziemlich bald habe ich aber gemerkt, dass ich mich wohl fühlen muss, damit was Gutes rauskommen kann.  Und ich darf mich sogar mal bewegen, hab ich gemerkt und muss nicht stocksteif dastehen.

Das tönt kinderleicht, wenn Liliana erzählt, wie man Modell steht. Wie siehst du das als Lehrerin, Claudia? Ist es so einfach?  C: (lacht): Nein, das ist es sicher nicht. Ein gutes  Modell muss bei sich sein. „Anwesenheit“ ist das Zauberwort. Es funktioniert nicht, wenn eine Person einfach nur da ist. Auch wichtig: Ein erfahrenes Modell muss sich so geben, dass es für das Modell persönlich stimmt. Dazu gehören ein zufriedenes Körpergefühl und eine gute Körperspannung. Dann passt es auch für den Betrachter. Ich habe schon oft gemerkt, dass Personen, die im Alltag mit ihrem Körper „schaffen –  z.B. Physiotherapeuten, Tänzer, Schauspieler – leichter Modell-Stehen als andere.

L: Du machst es einem aber auch leicht. Du hast so eine offene und herzliche Art. Und dir ist es wichtig, dass es die Modelle gut haben. Dass es bequem ist, es Musik hat, die Posen nicht zu lange sind. Ausserdem gibst du Rückmeldungen, wenn was gut ist – und auch, wenn was mal nicht so stimmig ist. Damit hilfst du deinen Modellen.

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Ein Blick in den Zeichen-Saal der GBS St.Gallen.

Ein Modell ist was anderes als ein ausgestopfter Fuchs

Musik, eine bequeme Unterlage – reicht das, damit etwas Gutes zwischen Modell und Zeichner entsteht? C: Schön wär‘s. Aber nein, es reicht nicht. Was es auf alle Fälle auch braucht: Vertrauen, Entspannung, gegenseitiges Interesse und – besonders wichtig – Respekt. Der Zeichnende muss sich bewusst sein, dass es ein Geschenk des Modells ist, wenn es sich zeichnen lässt und derart exponiert. Aus dem Grund gebe ich meinen Schülern feste Regeln für das Verhalten im Zeichensaal vor. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ein Modell kommt oder man einen ausgestopften Fuchs zeichnet. Bei mir müssen die „Youngsters“ – also die Auszubildenden im Vorkurs –  erst mal 10 Minuten selber in Kleidung Modell stehen. Dann wissen sie, wie sich sowas anfühlt und wie anstrengend es ist.

Liliana, tönt ganz so, als ob du es noch eine Weile bei Claudia aushalten wirst. L: Ganz sicher. Auch wenn ich wegen meiner Berufstätigkeit nicht mehr so viel Zeit habe wie früher, um diesen spannenden Nebenjob zu machen. Aber solange ich noch das Gefühl habe, dass es Menschen Spass macht, mich zu zeichnen, stehe ich Modell. Und hin und wieder schenkt mir einer der Zeichnenden auch eines der Bilder, die er von mir gefertigt hat. Das berührt mich dann immer wieder sehr.

Liebe Liliana, liebe Claudia, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Wer sich selber einmal im (Akt-)-Zeichnen erproben möchte findet hier Kurse an der GBS St.Gallen