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„Wir sind Buchmenschen“

Im Gespräch mit den Damen der Bücher-Insel, St. Gallen

 – Leidenschaft, Herzblut und viele Jahre an Erfahrung – dafür stehen Edith Peyer,  Ines Welte und Barbara Häberlin. Mit einem differenziert ausgewähltem und umfassendem Sortiment an Literatur. Grosser Beratungskompetenz durch jahrzehntelanges eigenes Lesen. Und dem nötigen Feeling für jeden einzelnen Ratsuchenden, der auf ihrer „Bücherinsel“ am Blumenbergplatz strandet. Mit mir sprachen die drei über ihre Tätigkeit als Kultur- und Weltenvermittlerinnen und darüber, warum Amazon ihnen keine Angst macht.

Sie betreiben seit rund 16 Jahren die „Bücher-Insel“ – und davor haben Sie ebenfalls lange Jahre als ausgebildete Buchhändlerinnen gearbeitet. Wie kommt’s , dass Sie immer noch mit solcher Begeisterung diesen Beruf ausüben? Das liegt daran, dass unser Beruf unglaublich spannend ist. Hier geht es jeden Tag darum, unsere Kunden als Leser-Persönlichkeit intensiv kennenzulernen. Wir sind praktisch Forscher und Entdecker. Das ist auch nötig, denn nur so kann man für jeden einzelnen das für ihn oder sie geeignete Buch finden. Und nur dann kann dieses wiederum seine Wirkung entfalten und in die fremden Welten entführen,  von denen es berichtet.

Heute boomen E-Books. Und  Online-Anbieter wie Amazon sowie grosse Buchhandlungsketten konkurrenzieren um jeden einzelnen Leser. Was setzen Sie dagegen? Wir legen Wert auf die persönliche Beratung. Das wird immens geschätzt und trägt sich auch von Mund zu Mund weiter. Das ist auch der Grund, weshalb wir viele Stammkunden haben. Und es kommen immer wieder neue hinzu. Oft geschieht es, dass beispielsweise jemand einen Blick in unser Fenster wirft und ihn die Auslage anspricht. Wenn er dann hereinkommt und wir ihm eine optimale Beratung bieten, kommt er meistens gerne wieder. Darüber freuen wir uns.

Buchhändler werden mit den Jahren besser

Wie gehen Sie bei der Zusammenstellung Ihres Sortiments vor? Was ist Ihnen wichtig? Wir arbeiten die Vorschauen durch. Da schauen wir schon sehr genau, was zu uns passt. Manchmal wählen wir bestimmte Autoren aus, die uns bereits mit ihren Werken überzeugt haben. Ein anderes Mal wieder geht es uns um Inhalte. Buchhändler sind ein bisschen wie alter Wein. Je älter, desto besser, denn die Belesenheit nimmt ja stetig zu. Was unser Sortiment sicher von solchen in Grosshandlungen unterscheidet ist, dass WIR für unsere Kunden auswählen und einkaufen. Und dabei kennen wir eben die Ansprüche der Leser, die zu uns kommen, sehr gut.  Dies kann eine Buchhandlung, die von einer  Zentrale gesteuert wird, gar nicht leisten.

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Das Experten-Trio im Gespräch: Edith Peyer, Barbara Häberlin & Ines Welte

Klingt ein bisschen so, als hätten Sie etwas gegen Blockbuster, sprich: lukrative Bestseller? Es wäre gelogen, zu sagen, dass wir die ablehnen. Denn natürlich brauchen wir auch die Bestseller. Ohne die machen wir keinen Umsatz. Und ohne Umsatz können wir keine besondere Literatur kaufen.

Gibt es Texte, die sie nicht anbieten? Es ist schon so, dass es Literatur gibt, die wir nicht von uns aus kaufen. Aber wir sind ja keine Zensuranstalt. Wenn ein Kunde ein Buch will, das wir nicht führen, können wir es ihm natürlich bestellen.

Was für Leute sind das, die zu Ihnen kommen, wenn sie Literatur suchen? Das sind buchaffine Menschen, die oft „schöne“ Bücher lieben und die auf gute Beratung setzen. Viele von diesen Leuten gehen deswegen auch aus Prinzip nicht zu Amazon.

Es klingt so, als hätten Sie einen sorgenfreien Job. Aber gewiss gibt es Dinge, mit denen Sie zu kämpfen haben? Das ist natürlich so. Früher gab es zum Beispiel einen festen Ladenpreis. Heute gibt es einen empfohlenen Preis. Das hat zur Folge, dass die Grossanbieter mit den Preisen rauf und runter gehen, wie es ihnen beliebt. Die Bücher sind wegen des tiefen Euro-Kurses wesentlich billiger geworden, unsere Festkosten aber bleiben gleich, sodass Investitionen in spezielle Aktionen wie z. B. Lesungen  kaum noch möglich sind.

Und zu guter Letzt: Was für Wünsche haben Sie, wenn Sie an die Zukunft von kleinen Buchhandlungen wie der Ihren denken? In keiner Zeit wurde soviel über Bücher geschrieben, gelesen und geredet. Wunderbar – aber werden und wurden sie auch gekauft und gelesen?? So wünschen wir uns vermehrt neugierige Leserinnen und Leser, die auf das Original gespannt sind. Und wir wünschen uns solche, die bereit sind, sich auch auf weniger bekannte Bücher einzulassen, die aber von der Buchhändlerin, dem Buchhändler empfohlen werden. Schön wäre es auch, wenn die Kinder und Jugendlichen mehr in ein Buch als aufs Smartphone „gucken“ würden!

 

Mein herzliches Dankeschön an Frau Edith Peyer, Frau Ines Welte und Frau Barbara Häberlin für dieses Gespräch.

Standort und Öffnungszeiten

„Kunst und Bau sind ein Traumpaar“

Regierungsrat Martin Klöti über „Kunst am Bau“.

Martin Klöti, Regierungsrat des Kantons St.Gallen und Vorsteher des Departements des Innern, ist der Mann in der ersten Reihe, wenn es um kulturelle Projekte und Finanzierungen dafür geht. Trotz des oft eisigen Gegenwinds, der ihm seitens mancher Politiker-Kollegen entgegen bläst, will er auch weiter für Kulturelles, wie etwa Kunst am Bau, kämpfen. Er findet nämlich, dass Kultur und Kunst die Lebensqualität steigern. Und er legt nach: Beides sei auch ein wichtiger „Trumpf im Standortwettbewerb“. Mehr erläutert der FDP-Mann hier. 

Herr Klöti, bei den Kunstschaffenden herrscht Aufruhr. Schuld ist die Tatsache, dass kürzlich zum dritten Mal an einem öffentlichen Bau keine Gelder für Kunst am Bau bewilligt wurden. Obgleich doch eigentlich gesetzlich verankert ist, dass 1% vom Gesamtbetrag dafür genutzt werden soll. Können Sie als zuständiger Kulturminister die Aufregung verstehen? Hier handelt es sich um ein Missverständnis der Medien (das nicht mehr aus deren Köpfen zu kriegen ist): Bisher haben wir bei allen kantonalen Bauvorhaben „Kunst am Bau“‘-Konzepte umgesetzt: Ausnahme wird nun einzig das Klanghaus werden. Die Medien führen jeweils als weitere Beispiele das Bundesverwaltungsgericht (BVG) und die FHS an. Beim BVG war der Bund für die Kunst zuständig und wollte die Ausstattung aus den eigenen Beständen vornehmen. Zur Erinnerung: das BVG wurde zwar durch den Kanton, aber für den Bund gebaut. Bei der FHS haben wir den Kredit für die fachgerechte Aufbewahrung des Erkervermächtnis, bzw. deren kontinuierlichen Ausstellung einsetzt.

Bei den Spitalbauten wird seit jeher auf Kunst am Bau verzichtet. Es ist jeweils ein Kredit in der Ausstattung vorgesehen für den aber nicht das kantonale Hochbauamt sondern der Spitalbetrieb zuständig ist.

Es gibt keine Kantonale Verordnung oder ein Gesetz, das ein Kulturprozent definiert. Die Regierung hat sich aber dazu geäussert und festgehalten, dass situativ “Kunst am Bau“ vorzusehen sei. Wobei der Betrag dem Gebäude angemessen sein soll. Und noch was am Rande: worauf würde sich denn dieses Kunstprozent beziehen? Auf die Anlagekosten oder auf die Baukosten oder ….

„Ich verstehe die Enttäuschung der Künstler“

Fazit: Es gibt keine gesetzlich verankerte Vorgabe, dass 1% des gesamten Bauvolumens für Kunst am Bau verwendet werden soll/muss. Bei der 1%-Klausel handelt es sich meines Wissens um eine Empfehlung der visarte. Die Empfehlung ist sinnvoll, soll aber Empfehlung bleiben. Und eine Erinnerung, die Kunst nicht zu vergessen. Gute Kunstwerke weisen ausserordentliche Eigenschaften als Katalysator, Verstärker, Echoraum und Seismograph zu Vorgefundenem, Verschwundenem, Kommenden auf. Da sind Kunst und Bau geradezu ein Traumpaar. Ich verstehe die Enttäuschung der Künstlerschaft auch insofern, als Kunst am Bau ein wichtiges Werkzeug der Förderung ist und zudem als komplexe Herausforderung auch eine sehr interessante Aufgabe.

Gerade der Kanton St. Gallen mit seiner Hauptstadt und deren berühmten Erkern sowie dem Stiftsbezirk ist stolz auf eine lange Tradition von „Kunst am Bau“. Geht’s mir dieser aus Ihrer Sicht wohl langfristig den Bach hinab? Die Tradition der Erker ist eine architektonische und in der Zeit verankerte Tradition. Sie sind zudem privaten Bauherrschaften zu verdanken, die sich ihre Verdienste über die Erker manifestieren. Oft sind es Textilkaufleute gewesen, die dieses „Fenster“ zur Repräsentation benutzt haben.

Regierungsrat Martin Klöti Aufnahme : Regina Kühne

Regierungsrat Martin Klöti vor einem Bild des Künstlers Simon Hauser (Foto: Regina Kühne)

Um eine Tradition weiterzuentwickeln, ist es sehr wichtig, Architekturbüros und Künstler/innen beizuziehen und auszuwählen, die den Aufgaben gewachsen sind, sei es durch langjährige Erfahrung und/oder innovativen Umgang mit den gegebenen Parametern – insbesondere bei grösseren Bauvorhaben. Mit dem Bundesverwaltungsgericht zum Beispiel, aber auch mit dem Verwaltungszentrum am Oberen Graben, einem Umbau einer historischen Bausubstanz, können wir gelungene Bauten in sensiblen Zonen vorzeigen.

Sparen muss ja heute jeder und überall. Warum aber wird etwa beim „Kunst am Bau“ immer wieder rigoros gestrichen? Man könnte doch sagen:  1 % können wir zwar nicht leisten. Aber 0,5% lägen noch drin. Das wird auch so gemacht. Jüngstes Beispiel im Kanton, das im April eingeweiht wird, ist das Forschungszentrum, ein Neubau innerhalb der Hochschule Rapperswil. Dort werden gerade „Kunst am Bau“-Arbeiten von Peter Kamm, Roman Signer und Loredana Sperini installiert bzw. im Frühling eingeweiht.

Die NZZ hat Sie 2015 als „bunteren Regierungsrat“ betitelt. Sie sind kein Mensch, der das Graue liebt. Befürchten Sie persönlich nicht eine zunehmenden „Tristesse“ des Stadt- und Landschaftsbildes, wenn „Kunst am Bau“ nicht mehr zum Zuge kommt? Und im schlimmsten Fall sogar eine Attraktivitätsminderung der gesamten Region? Ich setze mich dezidiert für Kunst und Bau sowie für Stadt- und Landschaftsplanung ein. Es geht um mehr als um Schmuck und Attraktivitätssteigerung. Es geht um Verantwortung gegenüber der Lebensqualität in unserem Alltag, um Identität, Stolz, Respekt gegenüber unserem Lebensraum. Kunst hilft, unsere Wahrnehmung zu schärfen, den Blick auf die Welt offen zu halten. Gerade bei öffentlichen Bauten und im öffentlichen Raum kann dies wunderbar selbstverständlich geleistet werden.

Sehr geehrter Herr Klöti, herzlichen Dank für dieses Interview!

 

Wissenswertes zu Martin Klöti entdeckt man auch an diesen Stellen im Netz:

WebsiteSRF-Beitrag, NZZ-Artikel oder in der Thurgauer Zeitung

Der Bücher-Streichler vom Sitterwerk (SG)

Jeder, der in St. Gallen lebt, hat zumindest schon mal davon gehört: Vom „Sitterwerk“ im  Westen der Stadt. Viele ahnen, dass man auf dem alten Firmengelände „irgendwas Künstlerisches“ macht. Doch kaum einer weiss, dass dort zum Beispiel Kunst der Weltklasse realisiert wird. Oder auch, dass es da eine Kunstbibliothek gibt, die rund um den Globus nach Vergleichbarem sucht. Ich hatte das Riesenglück und durfte mich mit Roland Früh unterhalten. Er leitet diese Bibliothek und hat mir so manches über seinen nicht ganz alltäglichen Arbeitsplatz verraten.

 Roland, nun bin ich doch „baff“. Als ich wusste, ich würde hier mit dem Bibliothekar reden, dachte ich an eine Weihnachtsmann-Gestalt mit Nickelbrille. Und nun stehst du in Jeans vor mir und ich sehe, dass ich voll daneben lag. Wie kommt jemand so junges an solch einen Job? Eigentlich ganz einfach: Die Stelle war ausgeschrieben und  ich hab mich beworben. Ich habe Kunstgeschichte in Zürich studiert und da meine Liz-Arbeit über Buchgestaltung gemacht. Das ging in Richtung Designgeschichte. Und zudem hatte ich damals schon viel mit Verlagen und Kunstvermittlung zu tun. Das hat dann ganz gut zu der Stellenausschreibung gepasst.

Da kann ich dir nicht ganz folgen. Klingt nämlich trotzdem nicht so, als hättest du Kenntnisse über das klassische Bibliothekars-Handwerk im Koffer gehabt? Da muss ich dir Recht geben. Aber mein Glück war, dass es die „klassischen“ Aufgaben hier gar nicht so sehr braucht. Der Ankauf bei uns ist gering. Wir machen keine Ausleihe. Was hingegen zentral ist, ist Vermittlung: Führungen, mit Studis arbeiten, öffentliche Anlässe organisieren und den Ort als Labor für mögliche Bibliotheksordnungen weiterdenken. Das Zusätzliche, was man als Bibliothekar können muss – etwa das Katalogisieren – habe ich dann noch in einem Kurs bei der Kantonsbibliothek Vadiana gelernt.

Du bist hier für rund 25‘000 Bücher zuständig. Hand aufs Herz: Wie viele davon hattest du persönlich bereits in der Hand – und wie viele hast du sogar schon mal durchgeblättert? Ob du’s glaubst oder nicht: Angefasst habe ich sicher schon jedes einmal. Denn ich versuche, tatsächlich sowas wie ein „Ritual“ zu praktizieren. Ich nenne es manchmal das „Bücher-Streicheln“. Damit ist gemeint, dass ich mir einmal am Tag die Zeit nehme, mit der Hand an den Büchern entlang zu fahren und umgekippte Bücher im Regal wieder grade zu stellen.7776_019A

Man entwickelt einen „Buch-Sinn“

Verfolgst du damit auch noch etwas anderes, als einem hübschen Ritual zu frönen? Tatsächlich ist es so, dass man auf diese Weise die Bücher intuitiv wahrnimmt. Man lernt sie kennen. Manchmal kommt jemand und sucht ein spezielles Buch. Da gab es dann schon oft den Zufall, dass ich gerade dieses eine Buch am Tag vorher bewusst mal gesehen habe. Und es daher dem Interessierten schnell präsentieren konnte.

Vielleicht ist jetzt auch ein bisschen Selbstüberschätzung dabei. Aber ich habe den Eindruck, dass ich auf diesem Weg ein gutes Gefühl für die Bücher bekomme, zum Beispiel bereits vom Format oder von der Bindung her zuordnen kann, wie alt ein Exemplar ist. Oder wie die Inhalte sind. Ob es ein Buch mit technischen Anleitungen ist oder eine Monographie. Man entwickelt da wirklich sowas wie einen weiteren Sinn – einen „Buch-Sinn“.

Oft schmeisst man Kunstbibliothek, Kunstgiesserei und Sitterwerk in einen Topf und denkt, alles wären verschiedene Namen für ein und dieselbe Sache. Wie ist es denn tatsächlich? Die Kunstgiesserei ist eine eigene Firma, das Sitterwerk hingegen eine Stiftung, gemeinnützig und non-profit. Es ist auch so, dass die Kunstbibliothek eben nicht die private Bibliothek der Kunstgiesserei ist. Vielmehr ist sie eine öffentliche Institution, die Teil der gesamten Stiftung Sitterwerk ist (bestehend aus: Kunstbibliothek, Werkstoffarchiv, Kesselhaus Josephsohn und Atelierhaus). Was aber stimmt: Der Gründer der Giesserei, Felix Lehner, hat die Initialzündung gegeben. Er hat den Kontakt zu Daniel Rohner gehabt, auf dessen umfangreicher Sammlung diese Bibliothek basiert. Und Felix ist auch einer der drei Stiftungsgründer – zusammen mit Daniel Rohner und dem Architekten und Arealsbesitzer Hans Jörg Schmid.

 Mehr als eine technische Spielerei               

Die Kunstbibliothek ist eine dynamische Bibliothek. Wieso ist man denn zu der Ansicht gekommen, ein herkömmliches Bibliotheksordnung sei – böse gesagt: „nicht gut genug“-  für die hier aufbewahrten Bücher? Deine Frage klingt fast so, als würdest du die dynamische Bibliothek für eine technische Spielerei halten. Das stimmt aber keineswegs. Vielmehr ist sie das Resultat unserer Bemühungen, die Arbeitsweise von Daniel Rohner und seine Umgehensweise mit seinen Büchern abzubilden. Als man seine Bücher nämlich „klassisch“ ordnen wollten, war er total entsetzt. Darauf musste das Team reagieren. Und so ist diese Art der Bucherfassung entstanden.2436_023

Dein Schluss-Statement: Was wünschst du dir für die Zukunft der Kunstbibliothek? Ein Wunsch ist, dass die Öffentlichkeit –  Studierende, Forschende aber auch einfach interessierte Leute – zunehmend realisieren, dass wir hier fantastisches Recherchematerial haben. Dass wir Bücher und Werkstoffe haben, die sonst niemand hat. Und dass dieses Material dann auch wirklich intensiv genutzt wird. Zum Forschen, zum Sich-Bilden und auch einfach zum Schmökern in ganz wunderbaren Büchern. Und eigentlich wünsche ich mir auch, dass sich das Sitterwerk weiterhin konstant zum Ort für Recherche und Produktion zu Themen der Kunst, Bibliotheksordnung, Architektur und Design entwickelt.

Roland, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

(Fotos: Katalin Déer)

Wer mehr über die Stiftung Sitterwerk und die Kunstgiesserei erfahren möchte, sollte sich auf den beiden Websites umsehen: Sitterwerk und Kunstgiesserei. Oder man geht zur aktuellen Ausstellung der Kunstbibliothek unter dem Titel Das Denken unterbrechen und erlebt das Feeling live.

deins oder meins? infos zum urheberrecht

Früher oder später erwischt sie einen doch: Die Frage nach dem Urheberrecht. Entweder, weil man als Kunstschaffender Werke anderer Künstler für die eigene Arbeit nutzen möchte. Oder weil man per Zufall feststellt, dass ein eigenes, mit Herzblut erschaffenes Werk von anderen kopiert, adaptiert, remixt wird. Dann hat man ganz schnell Fragen im Kopf: Wie sind Werke überhaupt geschützt? Ab wann darf man sie verwenden? Und was heisst denn eigentlich „geistiges Eigentum“? Es lohnt sich daher, sich bereits vor dem Tag X  ein wenig mit der Materie zu befassen. Hier etwas „Starter“-Input.

 

Die meisten Kunstschaffenden wissen heute, dass ein Gemälde, eine Komposition oder ein Gedicht im Regelfall einem urheberrechtlichen Schutz unterliegen. Auch ist bekannt, dass dieser Schutz üblicherweise 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. Dann wird dieses Werk Teil der „Public Domain“, zu deutsch: Gemeinfreiheit – und darf ab diesem Moment problemlos verwendet werden. Damit hört bei vielen ihr Know-how zur Sache aber schon wieder auf. DSC_1144

Doch es gibt natürlich noch viel mehr, was man zu Urheberrecht, Gemeinfreiheit und Public Domain sagen kann. Jurist und Autor Martin Steiger hat Fakten dazu in einem eben erschienenen Buch (mit dem Titel „Public Domain“) auf den Punkt gebracht. Hier eine winzige Auswahl daraus.

Die 70 Jahres-Regel ist etwas zu allgemein. Eine Differenzierung ist nötig. Denn es gilt: Bei Software dauert die Frist lediglich 50 Jahre. Bei unbekannten Urhebern erlischt der Schutz 70 Jahre nach Publikation des jeweiligen Werkes — und und und…

Es gibt überdies viele Werke, die nie urheberrechtlich geschützt waren. Zu diesen zählen etwa Gesetztestexte, Behördenberichte oder Protokolle. Des Weiteren fallen in die Kategorie der ungeschützten Werke aber auch „künstlerische Arbeiten“. Und zwar solche, denen ein ausreichender individueller Charakter fehlt und die „deshalb die sogenannte Schöpfungshöhe nicht erreichen“.

Ein Urheberrecht entsteht automatisch

Das Urheberrecht an einem Werk entsteht automatisch, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind. Selbst dann, wenn der Urheber es gar nicht will. In der Schweiz – anders als in den USA – ist es aus diesem Grund unmöglich, das „Urheberrecht an einem eigenen Werk vollständig aufzugeben“.

Sobald ein Werk in der Public Domain ist, dürfen Erben und andere Rechteinhaber den Zugang dazu nicht verweigern, einschränken oder nur kostenpflichtig gestatten. Ihnen fehlt die „urheberrechtliche Verfügungsmacht“.

Dennoch gewährt die Public Domain noch lange keinen Anspruch auf freien Zugang zu einem Werk , ebenso wenig wie dessen uneingeschränkte Nutzung. Ein gutes Beispiel dafür sind Museen. Sie machen etwa ihre Hausordnung geltend und verbieten so z.B. das Abfotografieren von Bildern. Das ist völlig legitim.

 

Zum Buch „Public Domain“

Martin Steiger informiert über noch viel, viel mehr. Und ich kann jedem, der sich für das Thema „Urheberrecht“ interessiert nur ans Herz legen, einen Blick in dieses Buch zu werfen. Es ist kurzweilig zu lesen und sensibilisiert dennoch intensiv und informativ für die Materie.

Ich bin im Oktober in Frankfurt auf der Buchmesse darauf gestossen und lege es seitdem kaum mehr aus der Hand. Steiger schreibt übrigens in diesem Buch nicht alleine.  Eine Reihe sehr kompetenter Co-Autoren behandeln neben Steigers Beitrag zu  „Public Domain im Urheberrecht“ alle möglichen Bereiche bis hin zum„Rebloggen als Kulturtechnik“. Da ist also für jeden etwas Wissenswertes drin.

Was mir besonders an dieser Publikation gefällt ist:

  • Man spürt, dass die Schreiber wirkliches Know-how mitbringen.
  • Die Texte sind bestens zu lesen. Kein Fach-Kauderwelsch und keine Endlossätze.
  • Zudem sind die einzelnen Kapitel verhältnismässig kurz, dafür knackig. Man muss sich nicht erst durch viele Seiten wühlen, bis man endlich mal auf eine informative Aussage trifft.
  • Am Ende jedes Beitrags dachte ich: „Wow, da hab ich echt was dazugelernt“.

Mein Fazit: So macht das Lesen von Fachliteratur Spass.

Das Buch: Migros-Kulturprozent, Dominic Landwehr (Hg.): Public Domain – Edition Digital Culture 3, 252 S., Christoph Merian Verlag 2015

ISBN: 978-3-85616-657-1